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Pulp Fiction (Regie: Quentin Tarantino, USA 1994, 153 min)
Stand: 2. März 2007 21:14

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Filmbesprechung von Maximilian Schmidt
 
Kurzvorstellung des Teams - Inhaltsangabe - Schlüsselszenen
Interpretation - Besonderheiten - Quellen
 
Regie: Quentin Tarantino
Produzent: Lawrence Bender
Drehbuch: nach Stories von Quentin Tarantino und Roger Avery
Kamera: Andrzej Sekula
Musik Supervisor: Karyn Rachtman
Besetzung: John Travolta (Vincent Vega), Samuel L. Jackson (Jules Winnfield), Uma Thurman (Mia Wallace), Harvey Keitel (Der Wolf), Bruce Willis (Butch Coolidge), Tim Roth (Pumpkin), Amanda Plummer (Honey Bunny), Ving Rhames (Marsellus Wallace)
 
Auszeichnungen:
1995 Goldene Palme in Cannes für den besten Film
1995 Oscar für das beste Drehbuch und Oscarnominierungen für die Regie, den Schnitt, die Darsteller John Travolta, Samuel L. Jackson und Uma Thurman
 
 
Inhaltsangabe - Seitenanfang
Schnellübersicht
Mit dem Film Pulp Fiction (=Schundroman) präsentierte der amerikanische Regisseur Quentin Tarantino im Jahre 1994 eine Kriminalsatire.
 
Der Film spielt im Gangstermilieu von Los Angeles. Er ist in drei Handlungsstränge aufgeteilt, die sich in häufig wechselnden Zeitabschnitten präsentieren. Das Gangster-Pärchen Pumpkin und Honey Bunny (Tim Roth und Amanda Plummer) überfällt ein Restaurant. Unter den Gästen befinden sich die beiden Profikiller Vince und Jules (John Travolta und Samuel L. Jackson). Die haben den Auftrag, für ihren Boss Marsellus Wallace (Ving Rhames) von Betrügern einen Aktenkoffer zurückzuholen. In der Bar ihres Chefs treffen sie auf den Boxer Butch Coolidge (Bruce Willis), der von Marsellus für seinen nächsten Fight bestochen wurde. Butch wiederum linkt Marsellus, indem er sich im Boxkampf nicht an die Abmachung hält und gerät mit Marsellus aneinander. Die Gangsterbraut Mia (Uma Thurman) entführt Vince in ein 60er-Jahre Restaurant, wo sie mit ihm einen Tanzwettbewerb gewinnt. Anschließend nimmt sie versehentlich eine Überdosis Heroin zu sich und kann von Vince nur knapp vor dem Tod gerettet werden. Der Film endet so, wie er begonnen hat: Im Restaurant. Pumpkin und Honey Bunny begehen gerade ihren Überfall. Charakter-, Handlungs- und Situationskomik, unterlegt mit Musik-Hits aus den 60er Jahren, gehen mit extrem blutigen Szenen einher.
 
Pulp Fiction erzählt drei Geschichten aus dem Gangstermilieu in Los Angeles, die alle in Beziehung zueinander stehen. Das Gangsterpärchen Pumpkin und Honey Bunny begeht einen Raubüberfall auf das Schnell-Restaurant, in dem sie gerade gefrühstückt haben. Die beiden Profikiller Vince und Jules haben von ihrem Boss Marsellus Wallace den Auftrag erhalten, dessen schwarzen Aktenkoffer wieder zu beschaffen. Der Koffer wurde von drei kleinen Ganoven „einkassiert". Am Morgen dringen die beiden Killer in die Wohnung der Diebe ein. Jules erschießt den ersten Mann und befragt sein zweites Opfer zur Bibel, bevor er es tötet. Marsellus Wallace spricht mit Butch Coolidge, einem Boxer am Ende seiner Karriere, eine Kampfmanipulation ab. Butch soll in der fünften Runde zu Boden gehen. Für Marsellus ist das die Gelegenheit, einen großen Wettgewinn zu machen.
 
In einer Bar warten Vince und Jules mit dem Koffer auf ihren Boss und treffen dabei auf den Boxer Butch, der gerade von seinem Gespräch mit „dem großen schwarzen Mann" kommt. Der nächste Auftrag von Vince besteht darin, sich um Mia, die Ehefrau von Wallace zu kümmern, weil der ein Geschäft in Florida zu erledigen hat. Genauso wie Vince nimmt die junge, attraktive Mia Drogen. Sie führt Vince abends in ein durchgestyltes 60er-Jahre-Restaurant und beide nehmen dort erfolgreich an einem Twistwettbewerb teil. Vince bringt Mia nach Hause und verschwindet auf die Toilette. Währenddessen findet sie in seiner Manteltasche ein Päckchen mit weißem Pulver. Mia glaubt, Kokain vor sich zu haben und nimmt eine große Portion. Es ist aber Heroin. Mia bricht zusammen und befindet sich in akuter Lebensgefahr. Mit Hilfe einer Adrenalinspritze kann Vince das Leben von Mia retten. Beide einigen sich darauf, Marsellus gegenüber kein Wort über den Vorfall zu verlieren.
 
Boxer Butch schreckt direkt vor dem Kampf aus einem Traum über ein Kindheitserlebnis auf: Daheim in Knoxville hatte ihm ein Kamerad seines im Krieg gefallenen Vaters dessen goldene Taschenuhr überreicht, ein Familienerbstück, das seit drei Generationen jedes Mal vor dem Tod des Vaters an den Sohn weitergegeben wird.
Direkt nach dem Boxkampf verschwindet Butch. Entgegen der Abmachung mit Marsellus hat er gewonnen. Marsellus ist sehr wütend und hetzt seine Killer auf ihn.
 
Butch fährt mit einem Taxi zu einem Motel, wo ihn seine Freundin Fabienne erwartet. Von der Taxifahrerin erfährt er, dass sein Gegner den Kampf nicht überlebt hat. Butch plant, zunächst mit Fabienne in Knoxville unterzutauchen. Beide verbringen eine Liebesnacht in dem Motelzimmer. Wieder einmal schreckt Butch aus einem Traum auf, kann sich diesmal aber nicht erinnern.
 
Während Fabienne mit ihm ein ausgiebiges Frühstück plant, packt Butch seine Sachen zusammen und erstarrt vor Schreck. Die goldene Uhr ist nicht da. Sie war im Appartement liegen geblieben. Trotz der Angst vor Marsellus' Rache fährt Butch hin, schleicht sich in das Appartement und findet die Uhr tatsächlich. In der Küche macht er sich noch einen Toast fertig, als die Toilettenspülung ihn stutzig macht. Butch ist gewarnt, sein Blick bleibt an einer Maschinenpistole auf der Küchenspüle haften. Butch greift zu Pistole, dreht sich zur Tür und erschießt den Killer Vince.
 
Butch macht sich auf die Rückfahrt zum Motel. Dabei fährt er Marsellus an und setzt vor Schreck den Wagen gegen eine Wand. Zwischen den beiden nur leicht verletzten Männern beginnt vor einem Geschäft ein heftiger Kampf, der im Laden ein plötzliches Ende findet. Der Ladenbesitzer, Pfandleiher Maynard, bringt beide Männer mit einem Gewehr in seine Gewalt und ruft seinen Freund Zed, einen Polizisten, herbei. Marsellus und Butch finden sich geknebelt und an Stühle gefesselt in einem dunklen Raum wieder. Marsellus wird von Maynard und Zed als erstes Opfer ausgewählt und in einen anderen Raum geschleppt. Butch wird von Hinkebein, einem mit Leder vermummten Sklaven, bewacht und hört währenddessen Schreie und Stöhnen aus dem Nebenraum. Ihm gelingt es, sich zu befreien und Hinkebein niederzustrecken. Er flüchtet nach vorne in den Laden, aber die Schreie von Marsellus und das Gestöhne von Maynard und Zed verfolgen ihn. Butch sieht sich um, ergreift ein Schwert und geht zurück in den Keller. Marsellus wird gerade vergewaltigt. Butch rettet ihn mit dem Schwert vor Maynard. Marsellus erschießt Zed. Damit sind Butch und Marsellus quitt. Butch muss L.A. für immer verlassen.
 
In der Wohnung der Kofferdiebe zitiert Jules immer noch Bibelsprüche. Währenddessen macht ein bislang unentdeckter Ganove im Bad seine Pistole klar und feuert auf Jules und Vince. Der Kugelhagel verfehlt die beiden Killer. Jules glaubt an ein Wunder Gottes und beschließt sein Leben zu ändern - keine Morde mehr. Marvin wird von Jules und Vince mitgenommen. Versehentlich löst sich auf der Fahrt im Wagen aus Vince' Pistole ein Schuss. Marvin wird tödlich im Gesicht getroffen und hinterlässt im Auto eine riesengroße Schweinerei. Der Wagen und die Leiche müssen verschwinden. Jules telefoniert mit seinem Freund Jimmy, der ihnen anderthalb Stunden Zeit gibt, den Wagen in seiner Garage zu säubern - dann nämlich kommt seine Frau Bonnie vom Nachtdienst in einer Klinik zurück. Ein Wettlauf mit der Zeit beginnt. Marsellus schickt ihnen Mr. Winston Wolf zur Hilfe. Nach Mr. Wolf's genauen Anweisungen werden in kürzester Zeit das blutverschmierte Auto geputzt, die Leiche verstaut, die Garage wieder hergerichtet, Vince und Jules gewaschen und frisch eingekleidet und der Wagen mit der Leiche auf dem Schrottplatz von Monster Jo entsorgt. Erschöpft von soviel Arbeit am Morgen lassen sich Vince und Jules zum Frühstück in einem Schnell-Restaurant nieder. Am Nachbartisch sitzen Pumpkin und Bonnie, in die Planung ihres Überfalls auf das Restaurant vertieft. Jules und Vince diskutieren über das Wunder Gottes in der Wohnung der Kofferdiebe, das Zeichen für Jules mit seiner kriminellen Karriere aufzuhören. Vince besucht gerade die Toilette, als Pumpkin und Honey den Überfall ausführen. Jules verwickelt das Pärchen in ein Gespräch über seine momentane Entwicklung, erzwingt mit der Pistole seine geliebte Brieftasche zurück und lässt die beiden laufen. Gemeinsam mit Vince verlässt er das Restaurant.
 
 
Schlüsselszenen - Seitenanfang
aus der Exposition (dem Vorspann des Films):
Zu Beginn des Films wird ein Standbild gezeigt. In weißem Schriftzug erscheint auf schwarzem Hintergrund eine Lexikon-Definition zu dem Begriff Pulp Fiction:
1.Abfall, Ausschussware, Schmutz
2. Schund- und Schmutzliteratur, ästhetisch minderwertige, anstößige Geschichte in Heft - oder Buchform"
(deutsche Übersetzung).
 
Dann folgt ein Schnitt und in Nahaufnahme wird ein Pärchen am Frühstückstisch in einem typisch amerikanischen Schnell-Restaurant eingeblendet, das sich im Gespräch über Raubüberfälle auf Banken und Spirituosenläden befindet. Der spontane Entschluss dieses Restaurant zu überfallen wird schnell in die Tat umgesetzt - und kurz in Großaufnahme dargestellt.
 
Es folgt ein weiterer Schnitt aus dem Hauptteil des Films: Die folgende Szene Royal mit Käse bildet einen Plot Point. In Nahaufnahme werden zwei Männer in einem Auto gezeigt. Sie unterhalten sich über Fast Food. Im weiteren Verlauf geben die Unterhaltung und die Bilder Aufschluss darüber, dass es sich um zwei Profikiller auf dem Weg zu einer ihrer Arbeitsstätten handelt. Mit gefühlsbetonten Spannungsmomenten, komischen Situationen, Handlungen und Charakteren, unterlegt mit Hits aus den 50er und 60er Jahren, gelingt es Quentin Tarantino, den Zuschauer in allen Filmsequenzen in Bann zu halten. So beobachtet Mia zum Beispiel in der Szene Vincent und Mia: Rendevous? Vince per Kamera vom Intercom aus. Die Kamera blendet Mia nur von hinten in Großaufnahme ein, während der Zuschauer aus Mias Position Vince auf dem Bildschirm mitverfolgen kann. In Nahaufnahme wird zwischendurch kurz eingeblendet, wie Mia dabei „eine Koks-Linie zieht".
 
Besonders drastisch wird Die Adrenalinspritze in Szene gesetzt. Eine Nahaufnahme zeigt die in sich zusammensackende Mia. Aus der Nase rinnendes Blut entstellt ihr Gesicht. Schnelle Bildschnitte machen die Hektik von Vince beim Transport von Mia zu dessen Dealer Lance deutlich. In den darauf folgenden Szenen arbeitet Quentin Tarantino besonders mit Sprachwitz und gekonnt eingesetzten Nahaufnahmen. Lance verlangt von seiner Frau, „die Kiste mit den Adrenalinspritzen aus dem Kühlschrank" und „das kleine schwarze Medizinbuch, das Handbuch für Krankenschwestern, in dem steht wie man Herzspritzen setzt", zu holen. Mias Busen wird in Nahaufnahme eingeblendet, während Lance nach „einem Filzstift zum Markieren der Einstichstelle" ruft. In Nahaufnahme wird die Markierung eingeblendet und man hört wie Lance Vince die Anweisung gibt „Nadel wie Dolch einstechen! Das ist kein Witz!", aber die Szene wirkt auf den Zuschauer absolut witzig.
 
aus dem Schluss des Films: Die Schlusssequenz Grande Finale im Hawthorne Grill findet unvermutet für den Zuschauer wieder in dem Schnell-Restaurant statt. Zunächst wird in Nah- und dann in Großaufnahme gezeigt, wie Vince und Jules frühstücken. Im Hintergrund sind Honey und Pumpkin bei einem Kuss zu entdecken. Diese Kussszene war bereits im Vorspann zu sehen, allerdings in Nahaufnahme. Ein Kreis scheint sich zu schließen. Der Zuschauer ist verblüfft.
 
Interpretation - Seitenanfang
Interpretation mit Belegstellen
Der US-Regisseur Quentin Tarantino hat seine Kriminalsatire Pulp Fiction ähnlich wie ein Drama aufgebaut: Pumpkin's und Honey Bunnie's Überfall auf das Schnell-Restaurant gibt dem Film einen Rahmen wie ein Prolog und ein Epilog. Ein Beleg findet sich dafür in der 2. bis 6. und in der 128. bis 153. Filmminute.
 
Normalerweise dreht sich in einem Kriminalfilm alles um ein Verbrechen, oft um einen Mord. Im Umfeld werden die Vorgeschichte der Tat, ihre Aufdeckung und die Überführung des Täters dargestellt. Anders ist es bei Tarantinos Pulp Fiction, der sich aus vielen Puzzleteilen, die sich in ungeordneter zeitlicher Reihenfolge überkreuzen, zusammensetzt. Der Zuschauer muss ständig umdenken. Er kann nicht wie in einem typischen Gangsterfilm die Hintergründe des Verbrechens und die psychologische Entwicklung des Täters eindeutig verfolgen. Es gibt keinen roten Faden und keinen logischen Schluss, indem sich der Film auflöst. Dadurch erscheint der Handlungsverlauf so rätselhaft.
 
In Pulp Fiction werden drei Gangsterstories durch die Hauptpersonen und Orte miteinander verbunden. So gesehen erzählt der Film drei billige und anstößige Geschichten. Aber bis zum Schluss bleibt durch geschickt gesetzte Schnitte unklar, in welchem Zeitraum und in welcher Abfolge sich diese Geschichten ereignet haben:
Vincent Vega und Marsellus Wallace' Frau (20. bis 66. Filmminute)
Die goldene Uhr (66. bis 109. Filmminute)
Die Bonnie Situation (109. bis 20. Filmminute!!!).
 
Der raffinierte Schnitt macht sich in den folgenden Szenen besonders bemerkbar: In den ersten und in den letzten Minuten von Pulp Fiction überfallen Pumpkin und Honey Bunny den Hawthorne Grill, wobei jedesmal Vince und Jules unter den Gästen sind - in den ersten Filmminuten jedoch wird eine andere Perspektive gezeigt, so dass sie nicht zu sehen sind. Der Zuschauer merkt erst am Schluss, dass sie auch vorher da gewesen sein mussten.
Tarantino scheint mit einem Zeitsprung sogar den Tod aufzuheben. Den Beleg dafür: Vince, den Butch in der 88. Filmminute tötet, taucht seltsamerweise wie selbstverständlich in der Bonnie Situation in der 109. Minute wieder auf. Meiner Meinung nach wäre eine andere Reihenfolge der drei Geschichten verständlicher, aber dafür weniger interessant gewesen: Erst die Bonnie Situation, dann Vincent Vega und Marsellus Wallace' Frau und am Schluss die Goldene Uhr.
 
Quentin Tarantino ironisiert in dem Film die Gewalt. Darum lässt er extreme Brutalität wie beiläufig mit Charakter- und Situationskomik einhergehen. Auf den Zuschauer wirken dadurch selbst brutalste Szenen lächerlich. Das Lachen bleibt einem im Halse stecken! Belegen lässt sich diese Aussage zum Beispiel durch folgende Szenen:
 
Jules und Vince setzen sich mit der Qualität von Hamburgern in europäischen Hauptstädten auseinander, während sie sich zu ihrer „Arbeit" begeben (7. Filmminute).
 
Jules testet eine neue Hamburgersorte und legt dabei einen Menschen um (15. Filmminute)
Jules zitiert die Rache Gottes gemäß der Bibel auf seine Weise und legt den nächsten Mann um (20. Filmminute)
Vince setzt Mia, die unter der Wirkung einer Heroinüberdosis zusammengebrochen ist, eine Adrenalinspritze direkt ins Herz und Mia ist im nächsten Augenblick wieder fit (58. Filmminute).
 
Auch gelingt es Tarantino, die Charaktere von Pulp Fiction (alle Hauptfiguren werden durch berühmte Schauspieler verkörpert) in vielen Situationen und Handlungen extrem überzogen und dadurch meist komisch wirkend darzustellen. Ein Beispiel hierfür:
 
Der schmierig und abgewrackt wirkende Profi-Killer Vince (John Travolta) wird von der Erotik und Coolness ausstrahlenden Mia (Uma Thurman) in ein Restaurant geführt. Job ist Job. Vince macht eben alles, was sein Boss verlangt (33. Filmminute).
 
Auf Mias Wunsch muss Vince mit ihr an einem Tanzwettbewerb teilnehmen. Vince bietet dem Zuschauer einen Twist der besonderen Art - eine Kopie seiner selbst (John Travolta in Saturday Night Fever). Wie in Zeitlupe bewegen sich die beiden zu rockiger Musik (45. Filmminute).
 
Die attraktive junge Mia hat Marsellus in einer Tiefphase ihrer kurzen Schauspieler-Karriere kennen gelernt (15 Minuten Mitwirkung in einem Pilotfilm) und lässt sich von dem feisten, alten Gangster-Boss als eine Art Luxusweibchen in einer Luxusumgebung aushalten (ab 30. Filmminute).
 
Zum Abgewrackt- und Coolsein in Unterwelt und Schickeriaszene passt natürlich, dass Vince ein Heroinkonsument ist und Mia Kokain nimmt. Aber dass Mia Vince` Heroinpäckchen mit Kokain verwechselt und plötzlich umfällt, wirkt wieder wie ein Gag. Auch die anschließende Rettungsaktion ist so übertrieben angelegt, dass man als Zuschauer über den harten Einsatz von Vince nicht erschreckt, sondern lachen muss (ab 53. Filmminute).
 
Über die Vergangenheit der Hauptpersonen lässt Tarantino die Zuschauer im Ungewissen. Aber es gibt eine Ausnahme: In die Kindheit von Butch (Bruce Willis) gibt es einen Rückblick. Eine Uhr, das Symbol für Zeit, wählt Tarantino, um in die Vergangenheit von Butch zu „springen".
 
Als einer der großen Gangsterbosse von L.A., treffend dargestellt von dem bulligen, glatzköpfigen Ving Rhames, hat Marsellus Wallace natürlich viele Feinde und keine Freunde. Darum verhält er sich gegenüber anderen rücksichtslos und knallhart. Der Boxer Butch bekommt das zu spüren, als er wegen des Wettbetrugs - den er vermutlich aus Familienehre nicht zulassen konnte - zunächst flieht und schließlich doch noch mit Marsellus aneinander gerät (91. Filmminute). Bruce Willis verkörpert den Boxer, der seine beste Zeit hinter sich hat.
Gemeinsam fallen sie in die Hände von zwei sadistischen Ganoven. Wider Erwarten eilt Butch zur Hilfe und rettet ihn (101. Filmminute). Dieser ist einer der wenigen Momente in Pulp Fiction, in denen eine Hauptperson zögert, nachdenkt und dann erst handelt. Und weil das so selten ist, rechnet der Zuschauer schließlich schon gar nicht mehr damit.
 
Am Beispiel nur einer Hauptperson, nämlich von Jules, durch den dunkelhäutigen Schauspieler Samuel L. Jackson verkörpert, stellt Quentin Tarantino während des Films die bemerkenswerte „Entwicklung" eines Charakters vom bösen schwarzen Mann zum weißen = unschuldigen Lamm Gottes dar:
 
In der Filmsequenz Marsellus Wallace Koffer zitiert der abgebrühte Profikiller noch Bibelzitate - angeblich vom Propheten Hesekiel Kapitel 25 Vers 17 - vor einem Mord, um seine Tat als Rächer auf Gottes Pfad der Gerechtigkeit zu begründen (20. Filmminute). Nach dem Alten Testament lebte Hesekiel zunächst als Priester in Jerusalem und war bei der ersten Deportation von Israeliten nach Babylonien dabei (geschichtlich belegt im Jahr 597 v. Chr.). Dort wurde er zum Propheten Gottes berufen und war bis 571 v. Chr. tätig. Im Buch Hesekiel gibt es im Kapitel 25 Spruch 17. Auch dieser Spruch handelt von Gottes Rache, stimmt allerdings nicht mit den Zitaten, die ihm Jules zuschreibt, überein.
 
In der Göttlichen Vorsehung erfährt Jules dann „sein Wunder". Vince und er werden nicht von dem Kugelhagel getroffen. Jules interpretiert diesen Zufall als von Gott gewolltes Wunder und beschließt ein besserer Mensch zu werden. „Ich werde mich ab heute zur Ruhe setzen". Er setzt diesen Vorsatz sofort in die Tat um, verzichtet darauf, Marvin zu töten und reagiert sehr nachdenklich auf eine „theologische Diskussion" mit Vince (111. Filmminute).
Dass dieser Wandel nicht nur von kurzer Dauer ist, zeigt Jules im Großen Finale im Hawthorne Grill. Hier führt Jules nochmals ein Gespräch mit Vince über „sein Wunder" und sein neues Leben und zwingt Pumpkin, sich die Geschichte „seiner momentanen Entwicklung" anzuhören. Er will nicht mehr böse sein, wie es auf seiner Brieftasche steht („Ich bin ein böser schwarzer Mann"), sondern nur noch sein „Bestes geben, um der Hirte zu sein" und lässt das Gangsterpärchen unbeschadet laufen (128. Filmminute).
  
Besonderheiten des Films - Seitenanfang
Den Quellen konnte ich entnehmen, dass Pulp Fiction erst der zweite Film von Quentin Tarantino ist. Der heute 49-jährige Regisseur und Drehbuchautor ist ein Autodidakt, hat also keine Ausbildung im Bereich Film oder Theater gemacht.
 
Bemerkenswert finde ich, dass Tarantino mit Pulp Fiction nicht dem typischen Schema von Filmen/Gangsterfilmen folgt, sondern ständig zwischen den drei Stories, Orten und Zeiten hin- und her"zappt" und dadurch Verwirrung beim Zuschauer erzeugt.
 
Irritierend ist meiner Meinung nach auch die Geschichte um den Aktenkoffer. Einige Hauptpersonen erhalten einen Einblick, der Filmbesucher aber nicht. Und so bleibt der Inhalt über den Film hinaus ein strahlendes Rätsel.
Eine weitere Besonderheit ist die künstliche Übersteigerung von Gewalt - sogar einmal in Kombination mit Bezug zur Bibel. Menschenleben haben in Pulp Fiction keine besondere Bedeutung. Morde geschehen ganz nebenbei. Kritiker sehen hierin eine Verharmlosung von Brutalität und einen weiteren Beweis für die Verrohung und Abgebrühtheit unserer Gesellschaft.
 
Ich sehe in Pulp Fiction eine ironische Reaktion von Quentin Tarantino auf die unzähligen billigen und brutalen Gangsterfilme, die weltweit rund um die Uhr produziert worden sind und werden. Pulp Fiction hebt sich durch die genial übertriebenen Darstellungen von Charakteren, Handlungen und Situationen deutlich von ihnen ab.
 
Benutzte Quellen: - Seitenanfang
Pulp Fiction von Quentin Tarantino, DVD, Universum Film GmbH&Co ; Hauptfilm mit Special Features, München 2003
SchülerDuden, Die Literatur, Dudenverlag, Mannheim 1989
Die Bibel, Herder-Verlag, 1965
Reclam Filmklassiker, Band 5, Stuttgart 1995
http://de.wikipedia.org./wiki/pulpfiction
 
Werkverzeichnis von Regisseur Quentin Tarantino:
Gangsterfilm Reservoir Dogs - Wilde Hunde, 1991