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Spätrenaissance - Jochim Schlu - Comedia... - Prolog


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Jochim Schlu: Comedia von dem frommen, gottfürchtigem und gehorsamen Isaac

Übertragung: Martin Schlu 2004, 11.1. 2004

Des Geckes inganck vor der Comediae.
Prolog des Narren vor der Komödie

 
1 
Godt groete yuw myn Heren all in gemein,
Gott grüße euch, meine Herren überall
Adel, vnadel, ryck, arm, groth vnde klein,
Adel, einfache Leute, reich, arm, groß und klein
Dartho ock den Ehrbaren Fruwen,
euch auch, die seriösen Damen
Ock darbeneuen den tuechtigen Junckfruwen.
und ebenfalls die netten Mädchen.
 
Nuw mag wol duencken seltsam hyrby,
Es mag euch hier seltsam vorkommen,
Wat ick voer ein wunderbar geselle sy.
was ich für ein merkwürdiger Mensch bin.
Ick hebbe gereiset doerch vele Staede vnd Landt,
Ich bin durch viele Städte und Länder gereist
Unde in der welt gantz wol bekandt.
und in der ganzen Welt bekannt.
 
Man sueth my jtzt vor einen Narren an,
Man sieht mich jetzt als Narren an,
Vnde in einer langen Kappen gahn,
und ich trage eine lange Kappe,
Wat Narrheit belanget late ick öffentlich sehn,
meine Narrheit trage ich wie einen Orden,
Bywylen rede ick ock de warheit int gemein,
aber manchmal rede ich nichts als die Wahrheit,
Ock kan ick wol einen dat herte roeren,
ich kann wohl auch das Herz rühren
Dat he sick wol schal etwas tho gemoete voeren.
das sollt ihr euch zu Gemüte führen.
 
15
Den de nu wil in der welt vmggahn,
Denn der in der Welt umgeht
De moth warlick witt vnde swart vorstahn.
muß wirklich zwischen schwarz und weiß unterscheiden
Den hyr ys eine fyne gesellschaft vtherlesen,
weil hier eine feine, auserlesene Gesellschaft ist,
Ick hedde hyr wol fuelnest lust tho wesen,
ich hätte hier wohl Lust
Van Fruwen, Junfferen vnde gesellen,
mehr über Frauen, Jungfern und Gesellen zu wissen,
Ick moeth yuw eine klene Historia vortellen.
darum erzähle ich Euch eine kleine Geschichte:
 
21
Dewyle de brennende Leue de yoeget plaget,
Während die brennende Lust die Jugend plagt,
Dat im Older offt wert beklaget,
(was im Alter sehr beklagt wird,
Vnde richtet auch offte etwas vth,
doch manchmal auch etwas ausrichtet)
Dat darna wert ein buitter kruth.
gibt es manchmal eine bittere Pille zu schlucken
 
25
Vnde wyl yuw daruan eine Historia sagen,
Darum will ich euch eine kleine Geschichte erzählen,
De sich in der Stadt Roma hefft thogedragen,
die sich in Rom zugetragen hat,
Van einem Eddelen vnd wolgebaren Knaben,
von einem edlen und wohlgeratenen Knaben
Piramus schal he geheten haben.
Pyramus soll ergeheißen haben.
 
29
Vnd van so einer eddelen Junffer zart,
Und von so einem schönen Mädchen,
Dergleichen in Roma nicht gefunden wart.
wie es in Rom kein anderes gab,
Welckes ere beyde schoenheit und gestalt,
die so an Schönheit und Gestalt war,
De Leue hefft gebracht vnder ehre gewalt.
die Liebe hat sie in ihre Gewalt bekommen.
 
33
Disse beyder Oldern hebben by einander gewant,
Ihre beiden Eltern haben nebeneinander gewohnt,
Daruemme se einander de Leue hebben angemant,
darum haben sie sich ineinander verliebt
Dewyle auerst ock tucht vnde ehr,
- manchmal liegen Dummheit und Ehre nah' beieinander -
Tho Rome wurt hoch gepryset sehr,
in Rom wurde sehr gelobt,
Hebben se se holden in guder acht,
wie sie sich gut benommen haben
Vnde ock op dat flytigeste gewacht.
und auch auf das Fleißigste wurden sie bewacht.
 
 
39 
Dar de ene den andern krech tho feende,
Weil die eine den anderen zu treffen versucht hat
Vnde dat herte yegen einander entbrende,
und das Herz füreinander entflammt ist
Do erdencken se dissen rath mit lyst,
denken sie sich eine List aus,
dar der Oldern keiner van wuest.
daß die Eltern nichts mitbekommen sollen.
 
43
Ein Balcke aldar lanck vnde schon,
Ein Balken gab es, schon lang und schön,
Dede vth dem einen Huse int ander gahn,
der von einem Haus zum andern ging,
Dardoerch konde de ene des anderen sake
durch ihn konnte der eine des anderen Worte
Hoeren konde de ene des andren sake
hören und konnte dessen Sätze
Hoeren vnde verstahn mit gemake.
hören und verstehen und danch handeln.
 
48
Des se sick froeweden alle beyde hertzlich,
Daß sie sich beide herzlich freuten,
Dat ere sake wuerde wol vthgericht.
daß ihr Botschaften gut ausgerichtet würden,
Dede de ene den anderen bescheden,
gab die eine dem anderen den Hinweis,
Menden aldar tho syn mit freden.
wo man sich in Ruhe treffen könne.
 
52 
By einem Brunne vor einem Wolde with,
Bei einem Brunnen vor einem weiten Waldstück
Vp eine bestemmede stunde vnde tydt,
zu einer bestimmtne Stunde eines bestimmten Tages
Do auerst de Junffer syne schonheit,
könnte man doch die Schönheit des Mädchens
Dede betrachten mit groter Froewde.
mit großer Lust ausgiebig betrachten (vielleicht auch mehr)
 
56
Konde se ock de bestemmende tydt,
Auch wenn sie die bestimmte Zeit
Nicht affwachten von hertzen frewde,
kaum noch mit klopfendem Herzen abwarten konnte,
Vnde noch veel mehr Leue gewun,
und immer verliebter <heißer> wurde
Kam se am ersten tho Brun.
kam sie - endlich - als erste zum Brunnen
 
60
Gedacht jtzt kumpt der Eddel Piramus her,
Hatte natürlich gedacht, jetzt käme ihr Liebster, Pyramus,
So droech ydt sick tho vngefehr.
aber es trug sich etwa anders zu:
Dat ein brullende Loewinne quam,
daß eine brüllende Löwin
Vth dem wolde thom Bunne henan,
aus dem Wald zu dem Brunnen kam,
Daruan de Junffer nam groth schrecken,
darum erschreckte sich die Jungfer (das Mädchen)
Wueste nicht wor se sick scholde vordecken.
und wußte nicht, wo sie sich verstecken sollte.
 
66
De Loewinne leep also ylich vort,
Die Löwin rannte also eilig fort
Na dem Brunne an den besten Ort,
zum Brunnen an den besten Ort
Daruan de Junffer groth schreckent nam,
darum erschreckte sich das Mädchen sehr
Vnde leep an Mantel daruan,
und vergaß dort ihren Mantel
De se van angst sick smeth,
weil sie sich vor Angst fast in die Hose machte
Vnde with in den Woldt leep.
und weit in den Wald lief.
 
72
Allse nu de Loewinne eren dorst,
Als die Löwin ihren Durst
By dem Brunne sick hedde geloescht.
Bei dem Brunnen gelöscht
Vnde sick hedde van dem frischen water erquickt,
und sich an dem frischen Wasser erfrischt hatte,
Hefft se Sidonia ere mantel erblickt.
sah sie Sidonias Mantel.
 
76
Vnde doerch suenderlike schickung hefft syck,
Und durch sonderbare Schicksalfügung hat sich
Thogedragen dytsuelwige ungelueck,
das folgende Unglück zugetragen:
Vnde de Mantel vor er Leger erkaren,
denn die Löwin nahm den Mantel als weiches Lager
Darup se ere Jungen gebaren.
und bekam dort ihre Jungen.
 
80
Daruan de Mantel gantz vnrein wart,
Jetzt war der Mantel narürlich total versaut
Wo den ys der Loewinnen natur vnd art.
wie das bei den Löwen schon mal vorkommt,
So balde se den Jungen hebben gebracht,
sobald die Jungen geboren waren
Lopen se tho holte mit groter macht.
lief sie wieder in den Wald.
 
84
Also nu Piramus der Juengling wert,
Mittlerweile war Pyramus, der junge Mann,
Mit bruenstiger Leue vnd groter begert.
in freudiger Erwartung auf eine wilde Knutscherei,
Kam ock thom Brun ylich thor stundt,
auch zur vereinbarten Stunde zum Brunne gekommen,
Dar he de schoene Sidonia nicht funt.
fand aber die schöne Sidonia nicht.
 
88
Vnde sach na er fast hyr vnde dar,
Er suchte zwar hier und da nach ihr,
Wert he lestlick erer Mantel gewar,
bis er endlich ihren Mantel fand,
Dat de mit Blode besprenget lach,
der blutbespritz auf dem Boden lag,
De erkende he so balde he se sach,
da weiß er sofort, was geschehen ist,
Velt nedder vp er mantel vp syn lnee,
fällt nieder auf den Mantel und die Knie,
Van groter angst vnde herten wehe.
voll großer Angst und Herzeleid.
 
94
Reep O Sidonia vtherkaren,
Ruft aus: "O auserkorene Sidonia,
Mynent haluen heffstu dyn Leuent voerlaren,
wegen mir hast Du Dein Leben verloren,
Alse ick nicht anders kan erdencken vnd weten,
anders kann ich es nicht denken und wissen:
Bistu hyr van einem wilden Deerte thoreten.
Du bist hier von einem wilden Tier zerrissen
Heffstu nu suelckes geleden vmme mynent willen,
Hast du nun solches erlitten um meinetwillen,
So wil ick ydt ock an my suelest erfuellen.
so will ich dies nun an mir selbst erfüllen!"
 
100
Dede darmit syn egen Swert vthrecken,
Täte damit sein eig'nes Schwert ausstrecken
Vnde dede ydt in sick sueluest stecken,
und anschließend in sich selbst hineinstecken,
Velt also Doet vp de mantel dar nedder,
fällt danach tot auf den Mantel nieder,
Sidonia kuempt vth dem Wolde wedder,
Sidonia kommt aus dem Walde wieder,
Vnde meende se treffede nu de rechte tydt,
meint, sie träf' nun die richtige Zeit
Den se vermoden was kein leidt,
der, den sie vermutet, wär' nun soweit
Menede se were nu aller vahr entgangen,
meinte, sie wär der Gefahr nun entgangen
Vnde hedde na Piranum groth verlangen.
und hatte nach Pyramus ein großes Verlangen.
 
108
Alse se nu ylents tho dem Brunne kam,
Als sie nun eilig zum Brunnen kam,
Vnde den schoenen Juenglinck nicht voernam,
und den schönen Jüngling nicht vernahm,
Do erhoeff sick bald eine grote nodt,
erhob sich bald eine große Not
Vant se ehne vp erer Mantel doet,
sie fand ihn auf ihrem Mantel - doch tot!
Vnde sick erstecken mit synem egen swert,
- hatte sich erstochen mit eigenem Schwert
Do wart ere moet vnde sinn voerkert,
da wurde ihr Mut und Sinn verkehrt
Vnde wert er van smerten dat herte kalt,
und wurde ihr vor Schmerzen das Herz so kalt,
Velt nedder vnde sincket in angst also balt.
fällt nieder und sinkt in Angst so bald.
 
116
Schreyde O Piramus eddele Jünglinck schon,
Schreit: "O Pyramus, edler Jüngling schon,
Schal dat syn alle dyn dancl vnde lohn.
soll das hier sein dein Dank und Lohn?
Dat du nicht anders heffst geweten,
Daß du nichts anders denkst zu wissen,
Ick sy van einem wylden Deerte thoreten,
ich wäre von einem wilden Tier zerissen
Daruemme heffstu gedacht myn hertz,
dieses hast du gedacht, mein Herz?
Och wat heffstu erleden grote smertz,
Oh, was hast du erlitten für Schmerz!
Vnde dyn Leuent by my tho laten,
und dein Leben für mich zu lassen
So wil ick dy folgen gelyker maten.
so will ich dir folgen gleichermaßen!"
 
124
Dede also dat Swert vth ehme trecken,
Zog also das Schwert wieder aus ihm heraus
Vnde dede ydt in sick sueluest stecken,
und steckte es jetzt in sich selbst,
Vill vp eme nedder vnde weren beide doet,
fiel auf ihn nieder und beide waren tot
Alse sick ere Leue geendiget hat.
und so endete ihre Liebe zueinander.

 

128
De brennende Leue wert balde kranck,
Brennende Liebe macht meistens krank,
Vnde ys gewis hertzleidens anfanck.
und ist bestimmt der Beginn eines Herzleidens.
Dith Exempel neme manniger in acht,
Durch dieses Beispiel nehmt euch in acht,
Den ydt hefft offt einen thom Narren gemacht.
sie hat oft manchen schon zum Narren gemacht.
 
132
Ja ick gedencke ock noch wol den dach,
Auch ich denke noch oft an den Tag,
Dat ick einen schoenen ganck tho gahnde plach.
als ich einen schönen Gang zu einem Platz gegangen bin,
Vnde wolde ock gerne by den Junfferken wesen,
und auch gerne bei einer Jungfrau gewesen wäre,
Hey wat krech ick vaken eine Nesen,
sie hat mich an der Nase herumgeführt,
Vnd moth nu alleine ein Narre heten,
und nun muß ich alleine der Narr sein -
Manninger ys ein groeter vnd wilt nicht weten.
aber mancher ist ein größerer als ich und will es nicht wissen.

138
Eins deel koenen en gewaldich beknypen,
Diese (Mädchen) können dich gewaltig bescheißen,

Manniger leth en tho vele vthkyken,

mancher läßt sich zu viel entlocken

Vele fofferdige Tuelpel willens niochtes daruan weten,

viele eingebildete Tölpel wollen das zwar nicht wissen,

Vnde hebben den Narren doch gantz gefreten.

aber sie haben den Narren doch ganz verinnerlicht.

 
142
Ni ick wil dysse tydt men alleine ein heten,
Nein, ich will diese Zeit alleine zubringen,
Vnde wil myner gesellen gantz vorgeten,
und will mein Freunde ganz vergessen,
Ick bidde de Heren late sick nicht voerlangen,
ich bitte die Herren sich nicht zu langweilen,
Wy willen balde mit den Comediae anfangen.
wir wollen bald mit der Kommödie anfangen.
 
 
Pyramus/Thisbe-Stelle:
http://www.mindspring.com/~rnival/gongora/introduccion.htm#N_61