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Über das Langenbach-Stift in Bonn
Bild 2002
Kurzer Anhang
Die Gründung des Langenbach-Stiftes in Bonn geht zurück
auf ein Unternehmen, das sich im Jahre 1884 in Berlin unter dem
Namen „Mildwida" konstituiert hatte. Es war eine Art Unterstützungskasse
für „Deutschlands Musiker-Witwen und -Waisen", ein großangelegter
Dank für die mittellosen Angehörigen verstorbener Musiker,
„die uns bei ihren Lebzeiten so manche genußreichen Stunden
verschafft haben".
Am 20. Juli 1886 erschien in der Emser Zeitung, dem „Lahnboten"
ein Aufruf der „Mildwida", aus dem hervorgeht, daß einflußreiche
Damen aus ganz Deutschland seit 1884 in ihren Wohnorten Zweigvereine
dieses umfassenden Unternehmens gebildet hatten. Es heißt
darin u.a.: „Für Bonn und Bad Ems nimmt die Gattin unseres
Kurorchester-Dirigenten, Herrn Julius Langenbach, jederzeit Beitrittserklärungen
an, und zwar in ihrer Wohnung in Ems, Lahnstraße 23". Der
Mindestbeitrag für einfache Mitglieder (mit dem Recht auf Anwartschaft
zur Altersversorgung) beträgt 50 Pfg., für Gönnerinnen
5 Mk., für Ehrendamen 10 Mk.. Auch „Herren können
sich gegen Empfangnahme einer „Wohltäterkarte", die zu
jeder freundlichen Spende verabreicht wird, an dem guten und menschenfreundlichen
Werk beteiligen".
Schon oben wurde darauf hingewiesen, daß Julius Langenbach
und seine Frau, die kinderlos waren, frühzeitig von solchen
sozialen Gedanken bewegt worden waren. Als nun Julius Langenbach
am 7. Oktober 1886 verstorben war, gab es für seine Frau, ohne
daß sie es anfangs ahnen mochte, eine neue Lebensaufgabe.
Im Mai 1887 weilte sie wieder in Bad Ems. Wieder erschien ein Aufruf
zur Beteiligung an diesem Unterstützungswerk, das durch eine
Lotterie und Spenden neue Mitglieder werben wollte. Es wurden nicht
nur Geldgaben, sondern auch verkäufliche Dinge, wie Handarbeiten
u.a. Geschenke erbeten, die durch Verkauf oder Verlosung dem Werke
zugute kamen. Hier sind nun viele Städtenamen genannt, in denen
sich Damen bereiterklärt hatten, bei diesem Werke mitzuwirken:
Berlin, Bonn, Breslau, Chemnitz, Cöln, Crefeld, Detmold, Dresden,
Düsseldorf, Elberfeld, Ems, Hamburg, Bad Homburg, Leipzig,
Magdeburg, Stuttgart und Wiesbaden. So war nun wirklich ein Netz
von Ortsgruppen über ganz Deutschland entstanden.
Jetzt aber fehlen uns für ca. 15 Jahre Daten zur Entwicklung
der „Wildwida". Erst vom Jahre 1900 gibt es eine Einladung
im Lahnboten zu einem „Künstlerkonzert in Ems unter Mitwirkung
des Kurorchesters, arrangiert von Frau Elise Langenbach aus Bonn".
Es handelt sich um ein Wohltätigkeitskonzert „zum Besten
der Julius Langenbach-Stiftung in Bonn, Heimathaus für ältere
unbemittelte Musikerwitwen und Musiklehrerinnen"...... Wir fühlen
oder ahnen es: In den vergangenen 13 Jahren ist die große
„Mildwida" zurückgegangen, sogar eingegangen, vielleicht,
weil seit etwa 1890 doch manche Musiklehrerin in die Sozialversicherung
des deutschen Staates eingetreten ist und auch die älteren
Förderer der „Mild-wida" inzwischen verstorben waren.
Die Leitung des „neuen" Vereins lag nun in erster Linie in
Frau Langenbachs Händen, die inzwischen den Plan gefaßt
hatte, nur ein Haus als Heim für die seit langem erwogenen
Zwecke zu stiften und diesem Hause den Namen ihres unvergeßlichen
Mannes zu geben.
Die Stiftung fand ihre juristische Form am 24. Juni
1903. Sie war am 16. 2 1903 als „Mildwida Stiftung" von höchster
Stelle anerkannt worden. Und nun begann der Bau des Langenbach-Stiftes,
damals noch „vor den Toren" der Stadt Bonn, Coblenzerstraße
237 (Kessenich) in nächster Nähe des Palais Schaumburg.
(Spätere Adresse: Friedrich-Ebert-Alle 41, etwa in Höhe
der haltestelle Ollenhauerstr. MS)
Die Einweihung des Julius Langenbach-Stiftes
geschah am 3. Juli 1904, dem Geburtstag des Dirigenten. Am Vorabend
führte der Städtische Gesangverein Bonn „Die Schöpfung"
von Josef Haydn auf. Am folgenden Morgen fand der Weiheakt im Hause
selbst statt. Schon oft sind die Worte aus der Festrede des Oberbürgermeisters
Spiritus in den Bonner Tageszeitungen der Folgezeit wiedergegeben
worden. Ein Teil aus dieser Festrede sei hier wiedergegeben:
Herr Oberbürgermeister Spiritus überbrachte namens der
Stadt Bonn dem Langenbach-Stifte die herzlichsten Glück- und
Segenswünsche. Er begrüßte es als erfreuliches Zeichen,
daß gerade der erste Akt in den seit kurzem eingemeindeten
Außenorten ein so bedeutungsvoller und würdiger sei.
„Als Frau Elise Langenbach einen Platz für das Heim
suchte, hat sie sich in der Stadt umgesehen; aber da gab es keinen
geeigneten Raum mehr für ihren großen Bau. Sie ging deshalb
in den Vorort (Kessenich) hinaus und wählte mit feinstem künstlerischen
Verständnis, inmitten einer herrlichen Natur den Platz, auf
dem heute das Haus fertig da steht. An diesem Ort soll die Harmonie
walten, und ich begrüße es doppelt freudig, daß
die erste Handlung zwischen Bonn und seinem Vororte eine so harmonische
ist. Aber nicht an Äußerlichkeiten wollen wir bei diesem
Hause denken. Wichtig ist vor allem, was mit diesem Hause bezweckt
wird. Es soll alten, nicht mehr arbeitsfähigen Lehrerinnen,
die ihr Leben der Musik geweiht haben, Heimat sein. Es ist das erste
Mal in unserem Vaterlande, daß eine solche Schöpfung
zutage tritt, und auch das erfüllt uns mit Stolz. Wo wäre
ein Heim für Musiklehrerinnen auch angebrachter gewesen, als
in Bonn, wo die Wiege Beethovens stand, und wo Robert Schumann an
stiller Stätte zu ewiger Ruhe gebettet ist?
......................
Ich kenne Sie, verehrte Frau Langenbach, seitdem ich die Ehre
habe, in Bonn zu sein. Sie sind oft bei mir auf dem Rathause gewesen,
und ich habe Gelegenheit gehabt, Ihre Zähigkeit und Tatkraft
zu bewundern. Sie sind ein vollendeter Baumeister und ein Jurist
ersten Ranges, der alle Schwierigkeiten mit Glück zu überwinden
weiß. Sie sind aber auch ein ganz vorzüglicher Finanzminister
(Heiterkeit im Saale), von dem wir alle lernen können. Es galt,
große Schwierigkeiten bei dem Werke zu überwinden. Große
Summen herzugeben ist nicht schwer, es ist auch nicht schwer, gut
zu wirtschaften, wo viel Geld ist, aber wie Sie, Frau Langenbach,
die Mittel zusammengebracht haben durch alle möglichen Veranstaltungen,
Vorstellungen Bazare etc., lediglich durch die Kraft Ihrer Persönlichkeit,
das steht einzig da in den Annalen der Bonner Geschichte."
Das Heim ist von 1904 aus gesehen, sehr modern und praktisch eingerichtet,
daß es noch heute vorbildlich erscheint. (Es fehlt nur der
Lift). Frau Langenbach hatte ihr ganzes Vermögen von 50.000
Mk.. und drei schuldenfreie Häuser hier investiert. Dazu kamen
noch mindestens 150.000.- Mk. aus den langjährigen Sammlungen.
Das Heim ist ganz modern in 30 Wohneinheiten für die Stiftsdamen
aufgeteilt. Zu jedem Wohnzimmer gehört ein nebenan liegendes
kleineres Schlafzimmer. Die Front des stattlichen Gebäudes
schaut nach Westen auf das Vorgebirge, das sich besonders bei Sonnenuntergang
abzeichnet. Die Rückseite des Gebäudes ist nach Osten
auf den Rhein und das Siebengebirge gerichtet, dessen Konturen sich
bei Sonnenaufgang verlockend darstellen. Zum Hause gehören
ein großer Speisesaal, ein Musikzimmer und als erwünschte
Freilufträume Veranden bzw. Terrassen. Im Souterrain befindet
sich die große Küche mit allen erforderlichen Nebenräumen.
Das ganze Haus ist mit fließendem Wasser und Zentralheizung
ausgestattet. Das zweiflügelige Gebäude steht in einem
Garten, der (nach den Plänen von Frau Langenbach) später
noch einen Anbau hätte tragen sollen, und zwar nach Süden
zur Langenbach-Straße. Leider hat in den letzten Jahren der
Vorgarten der Verbreiterung der Straße (heute Adenauer-Allee)
weichen müssen. Die Geldentwertungen nach den beiden Weltkriegen
haben den weiteren geplanten Ausbau des Stiftes verhindert.
Schon im Juli 1914 nach zehnjährigem Bestehen hätte man
ein kleines Erinnerungsfest feiern können, zumal Frau Langenbach
damals trotz ihres hohen Alters noch recht rüstig war. Zwei
Jahre nach Kriegsbeginn ist sie am 7. September 1916 entschlafen.
So hat sie das Ende des Krieges mit allen Schwierigkeiten und besonders
der Geldentwertung nicht miterlebt. Sie wurde neben ihrem Mann beigesetzt,
und zwar auf dem Alten Friedhof (Bornheimer Straße) gegenüber
von Robert und Clara Schumanns Ruhestätte.
Aus dem Jahre 1929, als das Stift 25 Jahre bestand, gibt es einen
Rückblick in der Bonner Zeitung, der wieder Frau Langenbachs
Beharrlichkeit in der Verfolgung ihrer Ziele, sowie ihre mütterliche
Fürsorge für die Stiftsdamen hervorhebt.
Seit den 1920er Jahren gehört außer den Herren, die
die rechtliches und wirtschaftlichen Interessen des Stiftes vertreten,
auch die weltbekannte Pianistin Elly Ney zum Kuratorium der Langenbach-Stiftung.
Zum Besten der Stiftung gab sie am 17.6.1924 einen Klavierabend
in der Beethoven-Halle, wo Julius Langenbach so oft sein Orchester
dirigiert hatte. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg hat sie ihre große
Kunst in den Dienst des Hauses gestellt. Unvergeßlich ist
der Abend des 18. Mai 1955, als sie in den mit Flieder geschmückten
Räumen des Heimes zunächst einen mächtigen Bach-Choral
spielte, dann das zarte Andante favori von Beethoven und seine grandiose
Appassionata. Schließlich ging sie über zu Mozart, Schubert,
Chopin und Brahms, wie es die Stimmung ihr eingab. Überaus
herzlich war der Dank der Stiftsdamen, der geladenen Blinden und
der übrigen Gäste, ein Dank, den der Stadtkämmerer,
Herr Dr. Bahlmann, als Vorsitzer des Kuratoriums bewegt weitergab.
Bei der Feier des sechzigjährigen Bestehens im Herbst 1964
durfte die Verfasserin einiges berichten aus dem Leben des Dirigenten
und seiner Gattin, dieser Persönlichkeit, die sich fast mehr
dem Bonner Gedächtnis eingeprägt hat als Julius Langenbach
selbst.
Leider haben die Fremdbelegungen und Inflationen nach den beiden
Weltkriegen dem Stifte und dem Stiftsvermögen sehr geschadet,
so daß das Heim zu zwei Dritteln seines Wertes von der evangelischen
Kirchengemeinde Bonn als Altersheim übernommen werden mußte.
Nur noch ein Drittel der Plätze sind für ehemalige Musiklehrerinnen
bestimmt, übrigens seit 1904 ohne Ansehen der Konfession.
Über allem schwebt noch der Geist der Erbauerin, die dreißig
Jahre nach dem Tode ihres Gatten im Dienst zu seinem Gedächtnis
und in der Sorge für die ihr anvertrauten Stiftsdamen lebte.
Langenbach-Stiftung Bonn in den 60er Jahren (oben), das Gebäude
Anfang 2002 (unten)
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