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Friedrich Schiller - Don Carlos
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- Vierter Akt, Neunter Auftritt -
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-
- Der König. Die
Königin tritt herein. Die Infantin.
-
- (Die Letztere fliegt
ihr entgegen und schmiegt sich an sie an. Die
Königin fällt vor dem König
nieder, welcher stumm und verwirrt steht.)
-
- Königin
- Mein Herr
- Und mein Gemahl - ich
muß - ich bin gezwungen,
- Vor Ihrem Thron
Gerechtigkeit zu suchen.
-
- König
- Gerechtigkeit?
-
- Königin
- Unwürdig seh' ich
mir
- An diesem Hof begegnet.
Meine
- Schatulle ist erbrochen -
-
- König
- Was?
-
- Königin
- Und Sachen
- Von großem Werth
für mich daraus verschwunden -
-
- König
- Von großem Werth
für Sie -
-
- Königin
- Durch die
Bedeutung,
- Die eines Unbelehrten
Dreistigkeit
- Vermögend wäre
-
-
- König
- Dreistigkeit - Bedeutung
-
- Doch - stehn Sie auf.
-
- Königin
- Nicht eher, mein
Gemahl,
- Bis Sie durch ein
Versprechen sich gebunden,
- Kraft Ihres
königlichen Arms zu meiner
- Genugthuung den
Thäter mir zu stellen,
- Wo nicht, von einem
Hofstaat mich zu trennen,
- Der meinen Dieb verbirgt
-
-
- König
- Stehn Sie doch auf
-
- In dieser Stellung -
Stehn Sie auf -
-
- Königin
- (steht auf)
- Daß er
- Von Range sein muß,
weiß ich - denn in der
- Schatulle lag an Perlen
und Demanten
- Weit über eine
Million, und er
- Begnügte sich mit
Briefen -
-
- König
- Die ich doch -
-
- Königin
- Recht gerne, mein Gemahl.
Es waren Briefe
- Und ein Medaillon von dem
Infanten.
-
- König
- Von -
-
- Königin
- Dem Infanten, Ihrem Sohn.
-
- König
- An Sie?
-
- Königin
- An mich.
-
- König
- Von dem Infanten? Und das
sagen
- Sie mir?
-
- Königin
- Warum nicht Ihnen, mein
Gemahl?
-
- König
- Mit dieser Stirne?
-
- Königin
- Was fällt Ihnen
auf?
- Ich denke, Sie erinnern
sich der Briefe,
- Die mit Bewilligung von
beiden Kronen
- Don Carlos mir nach
Saint-Germain geschrieben.
- Ob auch das Bild, womit
er sie begleitet,
- In diese Freiheit
einbedungen worden,
- Ob seine rasche Hoffnung
eigenmächtig
- Sich diesen kühnen
Schritt erlaubt - das will
- Ich zu entscheiden mich
nicht unterfangen.
- Wenn's Uebereilung war,
so war es die
- Verzeihlichste - da bin
ich für ihn Bürge.
- Denn damals fiel ihm wohl
nicht bei, daß es
- Für seine Mutter
wäre -
-
- (Sieht die Bewegung
des Königs)
- Was ist das?
- Was haben Sie?
-
- Infantin
- (welche unterdessen
das Medaillon auf dem Boden gefunden und damit
gespielt hat,
bringt es der Königin.)
- Ah! Sieh da, meine
Mutter!
- Das schöne Bild -
-
- Königin
- Was denn, mein
-
- (Sie erkennt das
Medaillon und bleibt in sprachloser Erstarrung
stehen. Beide sehen einander mit unverwandten
Augen an. Nach einem langen
Stillschweigen)
- Wahrlich,
Sire!
- Dies Mittel, seiner
Gattin Herz zu prüfen,
- Dünkt mir sehr
königlich und edel - Doch
- Noch eine Frage
möcht' ich mir erlauben.
-
- König
- Das Fragen ist an mir.
-
- Königin
- Durch meinen
Argwohn
- Soll doch die Unschuld
wenigstens nicht leiden. -
- Wenn also dieser
Diebstahl Ihr Befehl
- Gewesen -
-
- König
- Ja.
-
- Königin
- Dann hab' ich Niemand
anzuklagen
- Und Niemand weiter zu
bedauern - Niemand,
- Als Sie, dem die Gemahlin
nicht geworden,
- Bei welcher solche Mittel
sich verlohnen.
-
- König
- Die Sprache kenn' ich. -
Doch, Madame,
- Zum zweiten Male soll sie
mich nicht täuschen,
- Wie in Aranjuez sie mich
getäuscht.
- Die engelreine
Königin, die damals
- Mit so viel Würde
sich vertheidigt - jetzt
- Kenn' ich sie besser.
-
- Königin
- Was ist das?
-
- König
- Kurz also
- Und ohne Hinterhalt,
Madame! - Ist's wahr,
- Noch wahr, daß Sie
mit Niemand dort gesprochen?
- Mit Niemand? Ist das
wirklich wahr?
-
- Königin
- Mit dem
Infanten
- Hab' ich gesprochen. Ja.
-
- König
- Ja? - Nun, so
ist's
- Am Tage. Es ist offenbar.
So frech!
- So wenig Schonung meiner
Ehre!
-
- Königin
- Ehre, Sire?
- Wenn Ehre zu verletzen
war, so, fürcht' ich,
- Stand eine
größre auf dem Spiel, als
mir
- Castilien zur Morgengabe
brachte.
-
- König
- Warum verleugnen Sie mir?
-
- Königin
- Weil ich
- Es nicht gewohnt bin,
Sire, in Gegenwart
- Von Höflingen, auf
Delinquentenweise
- Verhören mich zu
lassen. Wahrheit werde
- Ich nie verleugnen, wenn
mit Ehrerbietung
- Und Güte sie
gefordert wird. - Und war
- Das wohl der Ton, den
Eure Majestät
- Mit in Aranjuez zu
hören gaben?
- Ist etwa sie versammelte
Grandezza
- Der Richterstuhl, vor
welchen Königinnen
- Zu ihrer stillen Thaten
Rechenschaft
- Gezogen werden? Ich
gestattete
- Dem Prinzen die
Zusammenkunft, um die
- Er dringend bat. Ich that
es, mein Gemahl,
- Weil ich es wollte - weil
ich den Gebrauch
- Nicht über Dinge
will zum Richter setzen,
- Die ich für tadellos
erkannt - und Ihnen
- Verbarg ich es, weil ich
nicht lüstern war,
- Mit Eurer Majestät
um diese Freiheit
- Vor meinem Hofgesinde
mich zu streiten.
-
- König
- Sie sprechen kühn,
Madame, sehr -
-
- Königin
- Und auch
darum,
- Setz' ich hinzu, weil der
Infant doch schwerlich
- Der Billigkeit, die er
verdient, sich zu
- Erfreuen hat in seines
Vaters Herzen -
-
- König
- Die er verdient?
-
- Königin
- Denn warum soll ich
es
- Verbergen, Sire? - Ich
schätz' ihn sehr und lieb' ihn
- Als meinen theuersten
Verwandten, der
- Einst werth befunden
worden, einen Namen
- Zu führen, der mich
mehr anging - Ich habe
- Noch nicht recht einsehn
lernen, daß er mir
- Gerade darum fremder
sollte sein,
- Als jeder Andre, weil er
ehedem
- Vor jedem Andern theuer
mir gewesen.
- Wenn Ihre Staatsmaxime
Bande knüpft,
- Wie sie für gut es
findet, soll es ihr
- Doch etwas schwerer
werden, sie zu lösen.
- Ich will nicht hassen,
wen ich soll - und, weil
- Man endlich doch zu reden
mich gezwungen -
- Ich will es nicht - will
meine Wahl nicht länger
- Gebunden sehn -
-
- König
- Elisabeth! Sie
haben
- In schwachen Stunden mich
gesehen. Diese
- Erinnerung macht Sie so
kühn. Sie trauen
- Auf eine Allmacht, die
Sie oft genug
- An meiner Festigkeit
geprüft. - Doch fürchten
- Sie desto mehr. Was bis
zu Schwächen mich
- Gebracht, kann auch zu
Raserei mich führen.
-
- Königin
- Was hab' ich denn
begangen?
-
- König
- (nimmt ihre Hand)
- Wenn es ist,
- Doch ist - und ist es
denn nicht schon? - wenn Ihrer
- Verschuldung volles,
aufgehäuftes Maß
- Auch nur um eines Athems
Schwere steigt -
- Wenn ich der Hintergangne
bin - (Er läßt ihre Hand los.) Ich
kann
- Auch über diese
letzte Schwäche siegen.
- Ich kann's und will's -
Dann wehe mir und Ihnen,
- Elisabeth!
-
- Königin
- Was hab' ich denn
begangen?
-
- König
- Dann meinetwegen
fließe Blut -
-
- Königin
- So weit
- Ist es gekommen - Gott!
-
- König
- Ich kenne
- Mich selbst nicht mehr -
ich ehre keine Sitte
- Und keine Stimme der
Natur und keinen
- Vertrag der Nationen mehr
-
-
- Königin
- Wie sehr
- Beklag' ich Eure
Majestät -
-
- König
- (außer
Fassung)
- Beklagen!
- Das Mitleid einer
Buhlerin -
-
- Infantin
- (hängt sich
erschrocken an ihre Mutter)
- Der König
zürnt,
- Und meine schöne
Mutter weint.
-
- König
- (stößt das
Kind unsanft von der
Königin)
-
- Königin
- (mit Sanftmuth und
Würde, aber mit zitternder Stimme).
- Die Kind
- Muß ich doch sicher
stellen vor Mißhandlung.
- Komm mit mir, meine
Tochter.
- (Sie nimmt es auf den
Arm)
-
- Wenn der
König
- Dich nicht mehr kennen
will, so muß ich jenseits
- Der Pyrenäen
Bürger kommen lassen,
- Die unsre Sache
führen.
- (Sie will gehen)
-
- König
- (betreten)
- Königin?
-
- Königin
- Ich kann nicht mehr - das
ist zu viel -
- (Sie will die
Thür erreichen und fällt mit dem Kinde
an der Schwelle zu Boden.)
-
- König
- (hinzueilend, voll
Bestürzung).
- Gott! was ist das? -
-
- Infantin
- (ruft voll
Schrecken)
- Ach, meine Mutter blutet!
- (sie eilt hinaus)
-
- König
- (ängstlich um sie
beschäftigt)
- Welch fürchterlicher
Zufall! Blut! Verdien' ich,
- Daß Sie so hart
mich strafen? Stehn Sie auf,
- Erholen Sie sich! Stehn
Sie auf! Man kommt!
- Man überrascht uns -
Stehn Sie auf! Soll sich
- Mein ganzer Hof an diesem
Schauspiel weiden?
- Muß ich Sie bitten,
aufzustehen?
-
- (Sie richtet sich auf,
von dem König unterstützt)
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