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Kulturgeschichte - Klassik


 

 

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Friedrich von Schiller - Don Carlos
Schillerzurück - Vierter Akt, Dritter Auftritt - weiter
 
 
Galerie.
  
Die Königin. Marquis von Posa.
 
Königin
(voll Bewunderung)
Wie? Darf ich meinen Augen trauen, Marquis?
Sie an mich abgeschickt vom König?
 
Marquis 
Dünkt
Das Ihre Majestät so sonderbar?
Mir ganz und gar nicht.
 
Königin
Nun, so ist die Welt
Aus ihrer Bahn gewichen. Sie und er -
Ich muß gestehen -
 
Marquis
Daß es seltsam klingt?
Das mag wohl sein. - Die gegenwärt'ge Zeit
Ist noch an mehrern Wunderdingen fruchtbar.
 
Königin
An größern kaum.
 
Marquis
Gesetzt, ich hätte mich
Bekehren lassen endlich - wär' es müde,
An Philipps Hof den Sonderling zu spielen?
Den Sonderling! Was heißt auch das? Wer sich
Den Menschen nützlich machen will, muß doch
Zuerst sich ihnen gleich zu stellen suchen.
Wozu der Secte prahlerische Tracht?
Gesetzt - wer ist von Eitelkeit so frei,
Um nicht für seinen Glauben gern zu werben? -
Gesetzt, ich ginge damit um, den meinen
Auf einen Thron zu setzen?
 
Königin
Nein! - Nein, Marquis,
Auch nicht einmal im Scherze möcht' ich dieser
Unreifen Einbildung Sie zeihn. Sie sind
Der Träumer nicht, der etwas unternähme,
Was nicht geendigt werden kann.
 
Marquis
Das eben
Wär' noch die Frage, denk' ich.
 
Königin
Was ich höchstens
Sie zeihen könnte, Marquis - was von Ihnen
Mich fast befremden könnte, wäre - wäre -
 
Marquis
Zweideutelei. Kann sein.
 
Königin
Unredlichkeit
Zum wenigsten. Der König wollte mir
Wahrscheinlich nicht durch Sie anbieten lassen,
Was Sie mir sagen werden.
 
Marquis
Nein.
 
Königin
Und kann
Die gute Sache schlimme Mittel adeln?
Kann sich - verzeihen Sie mir diesen Zweifel -
Ihr edler Stolz in diesem Amte borgen?
Kaum glaub' ich es.
 
Marquis
Auch ich nicht, wenn es hier
Nur gelten soll, den König zu betrügen.
Doch das ist meine Meinung nicht. Ihm selbst
Gedenk' ich diesmal redlicher zu dienen,
Als er mir aufgetragen hat.
 
Königin
Daran
Erkenn' ich Sie, und nun genug! Was macht er?
 
Marquis
Der König? - Wie es scheint, bin ich sehr bald
An meiner strengen Richterin gerächt.
Was ich so sehr nicht zu erzählen eile,
Eilt Ihre Majestät, wie mir geschienen,
Noch weit, weit weniger zu hören. - Doch
Gehört muß es doch werden! Der Monarch
Läßt Ihr Majestät ersuchen, dem
Ambassadeur von Frankreich kein Gehör
Für heute zu bewilligen. Das war
Mein Auftrag. Er ist abgethan.
 
Königin
Und das
Ist Alles, Marquis, was Sie mir von ihm
Zu sagen haben?
 
Marquis
Alles ungefähr,
Was mich berechtigt, hier zu sein.
 
Königin
Ich will
Mich gern bescheiden, Marquis, nicht zu wissen,
Was mir vielleicht Geheimniß bleiben muß -
 
Marquis
Das muß es, meine Königin - Zwar, wären
Sie nicht Sie selbst, ich würde eilen, Sie
Von ein'gen Dingen zu belehren, vor
Gewissen Menschen Sie zu warnen - doch
Das braucht es nicht bei Ihnen. Die Gefahr
Mag auf- und untergehen um Sie her,
Sie sollen's nie erfahren. Alles Dies
Ist ja nicht so viel werth, den goldnen Schlaf
Von eines Engels Stirne zu verjagen.
Auch war es Das nicht, was mich hergeführt.
Prinz Carlos -
 
Königin
Wie verließen Sie ihn?
 
Marquis
Wie
Den einz'gen Weisen seiner Zeit, dem es
Verbrechen ist, die Wahrheit anzubeten -
Und eben so beherzt, für seine Liebe,
Wie Jener für die seinige, zu sterben.
Ich bringe wenig Worte - aber hier,
Hier ist er selbst.
(Er gibt der Königin einen Brief.)
 
Königin
(nachdem sie ihn gelesen).
Er muß mich sprechen, sagt er.
 
Marquis
Das sag' ich auch.
 
Königin
Wird es ihn glücklich machen,
Wenn er mit seinen Augen sieht, daß ich
Es auch nicht bin?
 
Marquis
Nein - aber thätiger
Soll es ihn machen und entschloßner.
 
Königin
Wie?
 
Marquis
Der Herzog Alba ist ernannt nach Flandern.
 
Königin
Ernannt - so hör' ich.
 
Marquis
Widerrufen kann
Der König nie. Wir kennen ja den König.
Doch wahr ist's auch: Hier darf der Prinz nicht bleiben -
Hier nicht, jetzt vollends nicht - und Flandern darf
Nicht aufgeopfert werden.
 
Königin
Wissen Sie
Es zu verhindern?
 
Marquis
Ja - vielleicht. Das Mittel
Ist fast so schlimm, als die Gefahr. Es ist
Verwegen, wie Verzweiflung. - Doch ich weiß
Von keinem andern.
 
Königin
Nennen Sie mir's.
 
Marquis
Ihnen,
Nur Ihnen, meine Königin, wag' ich
Es zu entdecken. Nur von Ihnen kann
Es Carlos hören, ohne Abscheu hören.
Der Name freilich, den es führen wird,
Klingt etwas rauh -
 
Königin
Rebellion -
 
Marquis    
Er soll
Dem König ungehorsam werden, soll
Nach Brüssel heimlich sich begeben, wo
Mit offnen Armen die Flamänder ihn
Erwarten. Alle Niederlande stehen
Auf seine Losung auf. Die gute Sache
Wird stark durch einen Königssohn. Er mache
Den span'schen Thron durch seine Waffen zittern.
Was in Madrid der Vater ihm verweigert,
Wird er in Brüssel ihm bewilligen.
 
Königin
Sie sprachen
Ihn heute und behaupten das?
 
Marquis
Weil ich
Ihn heute sprach.
 
Königin
(nach einer Pause)
Der Plan, den Sie mir zeigen,
Erschreckt und - reizt mich auch zugleich. Ich glaube,
Daß Sie nicht Unrecht haben. - Die Idee
Ist kühn, und eben darum, glaub' ich,
Gefällt sie mir. Ich will sie reifen lassen.
Weiß sie der Prinz?
 
Marquis
Er sollte, war mein Plan,
Aus Ihrem Mund zum ersten Mal sie hören.
 
Königin
Unstreitig! Die Idee ist groß. - Wenn anders
Des Prinzen Jugend -
 
Marquis
Schadet nichts. Er findet
Dort einen Egmont und Oranien,
Die braven Krieger Kaiser Carls, so klug
Im Kabinet als fürchterlich im Felde.
 
Königin
(mit Lebhaftigkeit).
Nein! die Idee ist groß und schön - Der Prinz
Muß handeln. Lebhaft fühl' ich das. Die Rolle,
Die man hier in Madrid ihn spielen sieht,
Drückt mich an seiner Statt zu Boden - Frankreich
Versprech' ich ihm; Savoyen auch. Ich bin
Ganz Ihrer Meinung, Marquis, er muß handeln.
Doch dieser Anschlag fordert Geld.
 
Marquis
Auch das liegt schon
Bereit -
 
Königin
Und dazu weiß ich Rath.
 
Marquis
So darf ich
Zu der Zusammenkunft ihm Hoffnung geben?
 
Königin
Ich will mir's überlegen.
 
Marquis
Carlos dringt
Auf Antwort, Ihre Majestät. - Ich hab'
Ihm zugesagt, nicht leer zurück zu kehren.
 
(Seine Schreibtafel der Königin reichend.)
Zwei Zeilen sind für jetzt genug -
 
Königin
(nachdem sie geschrieben).        
Werd' ich
Sie wiedersehn?
 
Marquis
So oft Sie es befehlen.
 
Königin
So oft - so oft ich es befehle? - Marquis!
Wie muß ich diese Freiheit mir erklären?
 
Marquis
So arglos, als Sie immer können. Wir
Genießen sie - das ist genug - das ist
Für meine Königin genug.
 
Königin
(abbrechend).        
Wie sollt' es
Mich freuen, Marquis, wenn der Freiheit endlich
Noch diese Zufluch in Europa bliebe!
Wenn sie durch ihn es bliebe! - Rechnen Sie
Auf meinen stillen Antheil -
 
Marquis
(mit Feuer).        
O, ich wußt' es,
Ich mußte hier verstanden werden -
 
Herzogin Olivarez
(erscheint an der Thüre).
 
Königin
(fremd zum Marquis).        
Was
Von meinem Herrn, dem König, kommt, werd' ich
Als ein Gesetz verehren. Gehen Sie,
Ihm meine Unterwerfung zu versichern.
 
(Sie gibt ihm einen Wink. Der Marquis geht ab.)