www.martinschlu.de      Reiseberichte - Rügen - Ralswiek

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Ralswiek
nach Kap Arkonanach Sassnitz
Text und Fotos: © Martin Schlu 2011/2012, ergänzt am 26. November 2017

Ralswiek ist ein kleines Nest, etwa in der Mitte der Insel. Es liegt an der Südspitze des Großen Jasmunder Boddens und hat außer einer verschlafenen Stadt mit den üblichen Büdchen noch ein Schloß, das allerdings nicht zu besichtigen ist, außer man ist zahlender Gast des mittlerweile eingezogenen Hotels. Tagestouristen brauchen daher nicht mehr weiterzulesen, weil es tagsüber nichts gibt, was den Besuch lohnt, außer man will ein bißchen am Wasser sitzen, aber das geht überall sonst auch, und das Schloß ist eben gesperrt. weiter

Schloß Ralswiek ist heute ein HotelSieht ganz einladend aus, aber man kommt ja auch nicht auf die Idee, ein Hotel zu besichtigen. Also bleibt man hier stehen.

Nach der Wende war dieses Schloß in Ralswiek renovierungsbedürftig und wurde zum Hotel.
Ein Impresario hatte die Idee, den Zipfel des Boddens, der sich in Ralswiek verjüngt, für eine Naturbühne zu nutzen und - wie man sehen wird - funktioniert es hervorragend. Was auf den Hunderten Plakaten, die über ganz Rügen verteilt sind, vollmundig angekündigt wird, ist nicht irgendein Dorfscheiß, mit dem die Einheimischen die Touristen ausnehmen wollen, sondern eine hochprofessionelle Freilufttheaterproduktion, die es locker mit den bekannten Festivals zwischen Bad Segeberg und Salzburg aufnehmen kann. Das Sujet ist natürlich im Raume Rügen angesiedelt, denn Klaus Störtebeker, um den es hier geht,  kommt aus dem Bereich Wismar, hatte sein Revier im Mittelalter auf der Ostsee und ist daher alle Naselang um Rügen herumgesegelt. 

Die Koggen vor Saisonbeginn aufgebockt.
Eine der vier Koggen - noch aufgebockt für die kommende Spielzeit im Frühjahr

Die Produktion ist eine Mischung aus Oberammergau und Salzburg: Klein- und Statistenrollen werden mit Ralswieker Einwohnern besetzt, die tragenden Rollen mit hochprofessionellen Schauspielern (von denen der eine oder andere auch hier wohnt), es werden Dutzende von Pferden eingesetzt, vier für die Festspiel angefertigte Koggen kreuzen vor der Bühne hin und her und die Stunts, Licht- und Feuereffekte sind vom Feinsten. Man sieht es von außen nicht, aber das Theater faßt etwa 8.000 Plätze, ist meistens ausverkauft und so kommen jedes Jahr etwa eine halbe Million Besucher auf ihre Kosten. Daß dies nicht alles Feriengäste auf Rügen sein können, liegt auf der Hand.

Hat man aber das Glück zwischen Juni und September ein paar Tage auf Rügen sein zu können, bestellt man sich am besten per Internet Plätze in den ersten zehn Reihen der "Störtebeker-Festspiele".  Wir haben es dieses Jahr so gemacht, daß wir die Karten bereits Monate vorher besorgt hatten, ließen das Auto in Breege und machten die Anreise per Schiff. Es ist erheblich streßfreier, als sich nach der Vorstellung mit Tausenden anderen Autos den begrenzten Platz auf der B96 wegzunehmen, abgesehen davon, daß die Parkplätze relativ weit von der Bühne entfernt liegen, das Schiff aber gerade 200 Meter von dem Eingang anlegt. Mit der Schiffspassage zahlt man (2012) maximal EUR 50.- und das ist eine Preisdimension, für die man beim Salzburger „Jedermann“ (nur zum Beispiel)  erst etwas ab Reihe 50 oder 60 bekommt. Das Schiff legt um halb sieben ab, fährt eine Stunde und relativ zeitnah hat man seinen Platz im Theater. Da gibt es aber kein Dach und bei Regen wird weitergespielt - also muß man außer dem Kissen für den Hintern noch einen Regenschutz mitnehmen und braucht definitiv einen Pulli, weil es vom Bodden her schon recht frisch werden kann. Die Regenhaut könnte man aber auch noch für EUR 2.- vor Ort kaufen.
Liebevolle Inszenierung einer holländischen Mühle, die für einen Zufluchtsort der Piraten steht.
(Mit freundlicher Genehmigung der Festspielleitung)
Die Aufführung beginnt noch im Tageslicht recht stimmungsvoll mit Trockeneisnebel und dann kommt Störtebeker zu Pferd auf die Bühne. Ein Sprecher erklärt die Rahmenhandlung, ein Sänger kommentiert sie ab und zu mit einem Lied und die diesjährige (2012) Geschichte „Störtebekers Tod“  ist schnell erzählt: Störtebeker möchte sich mit seinem verdienten Gold zur verdienten Ruhe setzen, hat deswegen in Friesland Land gekauft und ein "Freies Friesland" ausgerufen. Die Hanse wiederum möchte das von ihm geraubte Gold wieder zurück und beauftragt Simon von Utrecht mit der Piratenjagd. Diese Jagd pendelt zwischen Friesland, Holland und Helgoland hin und her, unterwegs geschehen noch ein paar Rahmenhandlungen, die für genug Kurzweil sorgen. Die Schiffe legen an und ab, jede Menge Pferde und eine Kutsche sausen von links nach rechts und zurück, ein Falke wird eingesetzt und fliegt sehr stimmungsvoll durchs Pubikum, es knallt und rumst auf Bühne und Bodden und langweilig wird es nie. Die Effekte und spezielle Bühnenelemente unterstützen die gesamte Aufführung zu einem großartigen Schauspiel. Mit einem Laientheater hat die Veranstaltung wirklich nichts zu tun. Auch die Kostüme und Kulissen sind beeindruckend und für die Dauer des Stückes vergisst man fast, dass man im Theater und nicht wirklich an der Seite Störtebekers ist.
Stilvolle Hinrichtung am Ende des Stücks - das Fallbeil fällt, aber zumindest der Schauspieler überlebt auch das.
(Mit freundlicher Genehmigung der Festspielleitung)

Während der Aufführung setzt die Dunkelheit ein, dann leuchten die eingesetzten Feuer-Effekte noch stimmungsvoller und als es richtig dunkel ist, landet Störtebeker natürlich am Ende des Stücks auf dem Hamburger Grasbock und wird per Fallbeil hingerichtet und das sieht so echt aus, daß man froh ist, wenn er beim Schlußapplaus wieder unbeschädigt ins Publikum winkt. Auch die DVD zur Aufführung (eine Aufnahme aus dem Juni) ist nicht überteuert und so ist das Ganze eine runde Sache.

Leider ist der Besuch nichts für normale Tagestouristen, außer man ist nicht weiter weg als Wismar oder Usedom, denn bis das Schiff wieder anlegt, ist es Mitternacht und da sind wir ganz froh, daß wir nur noch ins Ferienhaus müssen und nicht noch ein bis zwei Stunden Autofahrt vor uns haben. Also, es lohnt sich und der Besuch dieser Veranstaltung ist etwas, was man sich  gönnen sollt, wenn man länger auf der Insel ist.
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Text und Fotos: © Martin Schlu 9. August 2012, Stand: 26.11.2017