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Kulturgeschichte - 20. Jahrhundert


Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)

1875 Prag
1896 München
1897 Berlin
1898 Worpswede
1902 Paris
1904 Schweden
1907 Italien
1914 Krieg
1919 Schweiz
Werke:
 
Literatur

 


Rainer Maria Rilke (1875 - 1926)
Rilke in Italien (1907 - 1895)
zusammengestellt von Martin Schlu, ©2006

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1907-1908
Aufenthalte in Capri, Paris und Bremen; "Neue Gedichte". Rilke lebt in Paris und unternimmt zahlreiche Reisen, meist zu Vorträgen. Im Mai hält er sich auf Capri, in Neapel und Rom auf. Im November ist er in Venedig.
Die "Neuen Gedichte" erscheinen im Dezember 1907.
 
 
Venedig
 
I.
Fremdes Rufen. Und wir wählen
eine Gondel, schwarz und schlank:
leises Gleiten an den Pfählen
einer Marmorstadt entlang.
 
Still. Die Schiffer nur erzählen
sich. Die Ruder rauschen sacht,
und aus Kirchen und Kanälen
winkt uns eine fremde Nacht.
 
Und der schwarze Pfad wird leiser,
fernes Ave weht die Luft, -
traun: ich bin ein toter Kaiser,
und sie lenken mich zur Gruft.
 
II.
Immer ist mir, daß die leisen
Gondeln durch Kanäle reisen
irgend jemand zum Empfang;
denn das Warten dauert lang,
und das Volk ist arm und krank,
und die Kinder sind wie Waisen.
 
Lange harren die Paläste
auf die Herren, auf die Gäste,
und das Volk will Kronen sehn.
Auf dem Markusplatze stehn
möcht ich oft und irgendwen
fragen nach dem fernen Fest.
 
III.
Mein Ruder sang:
Poppé, fahr zu!
Ein Volk von Sklaven
drängt sich im Hafen
um nüchterne Feste,
und die Paläste
können nicht schlafen.
Poppé, fahr zu!
 
Eisige Ruh
in Marmorgliedern,
mit matten Lidern
erschauern die Plätze.
Im Gassennetze
betteln die Niedern.
Poppé, fahr zu!
 
Sag mir, weißt du
noch von den Toten,
die hier geboten
in köstlichen Kronen?
Wo sie jetzt wohnen,
die Purpurroten?
Poppé, fahr zu!
 
IV.
Ave weht von den Türmen her,
immer noch hörst du die Kirchen erzählen;
doch die Paläste an stillen Kanälen
verraten nichts mehr.
 
Und vorbei an der Traumesruh
ihrer schlafenden Stirnen schwanken
leide Gondeln wie schwarze Gedanken
dem Abend zu.
 
 
 
 Fotos: Martin Schlu, © 2006
 
 
1908
 An Auguste Rodin
16 octobre 1908,
77, rue de Varenne
 
Mon cher Rodin,
<Mein lieber Rodin>
Je reviens du Salon où j'ai passé une heure devant «Tolède» de Greco. Ce paysage me semble de plus en plus étonnant. Il faut qu je vous le décrive tel que je l'ai vu. Voilà:
< >
 
L'orage s'est déchiré et tombe brusquement derrière une ville qui, sur la pente d'une colline, monte en hâte vers sa cathédrale et plus haut vers son château-fort, carré et massif. Une lumière en loques laboure la terre, la remue, la déchire et fait ressortir ça et là les prés, vert-pâles, derrière les arbres, comme des insomnies. Un fleuve étroit sort sans mouvement de l'amas de collines et menace terriblement de son bleu-noir et nocturne les flammes vertes des buissons. La ville épouvantée et en sursaut se dresse dans un dernier effort comme pour percer l'angoisse de l'atmosphère.
< >
Il faudrait avoir de tels rêves.
< >
Peut-être que je me trompe en m'attachant avec une certaine véhémence à cette peinture; vous me le direz quand vous l'avez vue.
< >
Tout à vous
cher grand Ami
votre
Rilke
< >
 
 
1908-1909
Aufenthalte in Italien und Frankreich. Ende Februar bis Mitte April 1908 lebt Rilke wieder auf Capri.
Im November schreibt Rilke die Requien "Für eine Freundin" - gewidmet der verstorbenen Malerin Paula Modersohn- Becker und das für Wolf Graf von Kalckreuth. "Der neuen Gedichte anderer Teil" erscheint. Zur Erinnerung an die 1907 verstorbene Modersohn-Becker schreibt Rilke das "Requiem für eine Freundin".
 
 
1909
Rilke wohnt bis Ende des Jahres in Paris in der Rue de Varenne. Er lernt die Fürstin Marie von Thurn und Taxis- Hohenlohe kennen. Rilke reist Ende Mai in die Provence, er hält sich aber auch in Deutschland auf.
 
1910
Italienreise, Reise nach Nordafrika, Im April folgt Rilke einer Einladung der Fürstin Marie von Thurn und Taxis- Hohenlohe auf das Schloß Duino. Ende des Jahres unternimmt er eine Reise nach Algier, El Kantara, und Tunis.
Der einzige Roman Rainer Maria Rilkes "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge" erscheint. Sein Tagebuchroman "Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge", an dem Rilke seit 1904 gearbeitet hat, wird veröffentlicht.
 
1911
Bis Mitte Oktober lebt Rilke meistens in Paris in der Rue de Varenne. Von hier aus unternimmt er Reisen nach Neapel, nach Ägypten (Kairo, Fahrt auf dem Nil), er fährt wieder nach Venedig, Prag, Lautschin, Janowitz, Leipzig, Weimar, Berlin, München, Avignon, Ventimiglia und Bologna. Von Mitte Oktober bis Mitte Mai des Jahres 1912 lebt für sieben Monate auf Schloß Duino.
 
1912
Reisen nach Venedig und Spanien, Ende Januar 1912 entstehen die beiden ersten "Duineser Elegien".
Er begegnet Eleonore Duse in Venedig, er lebt in Venedig vom Mai bis zur Mitte des Monats September . Danach hält er sich bis Anfang Oktober wieder auf Schloß Duino auf. Eine Spanienreise führt ihn nach Toledo, Cordoba und Sevilla. Eine rege Übersetzertätigkeit hält ihn von eigenen Arbeiten ab. Auf Schloß Duino bei Triest schreibt Rilke die ersten "Duineser Elegien" , von deren Entstehung erfahren aber vorerst nur wenige Freunde.
Gemeinsam mit Andreas-Salomé nimmt Rilke an einem psychologischen Kongreß in München teil, wo er Sigmund Freud kennenlernt.
 
1913
Aufenthalt in Paris, Reisen nach Deutschland, "Das Marien-Leben"
 
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