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Kulturgeschichte - 20. Jahrhundert


   
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20. Jahrhundert  

B. Langenbach Nationalsozialismus
Zeitzeugenbericht: Brigitte Langenbach
1944 Reichsarbeitsdienst III von März 1944 - 8.5.1945
 
Fortsetzung

Anfang März 1944 mußte ich meinen Arbeitsdienst antreten. Ich mußte mich in Geseke melden. Geseke lag am Hellweg, an der Bahnstrecke Dortmund - Soest - Paderborn. Es war eine ländliche, kleine Stadt. Ich mußte vor dem 1. April dort sein, denn längere Ferien nach dem Abitur waren uns nicht gegönnt. Außer mir waren noch fünf oder sechs andere Abiturienten angekommen. Dort war eine ehemalige Klosterschule (mit Internat) als Arbeitsdienstlager eingerichtet worden. Es gab genug Räumlichkeiten für uns: Küche, Speisesaal, Unterrichtsräume und große Schlafräume. Ähnlich wie in einer Jugendherberge gab es zweistöckige Betten. Wir konnten uns dann schon mal so langsam an das Lager gewöhnen.

In der Küche gab es einen riesigen Kohleherd wie in Hotelküchen. Es gab ja meistens Kohleherde, die wahnsinnig viel Arbeit machten: Kohlen aus dem Keller holen, den Herd stochern, die Asche rausprockeln, wenn der Herd aus war, die staubige Asche rausbringen, die Schlacken auch herausnehmen. Wenn der Herd angelegt werden mußte: Papier und kleines Holz einfüllen, größeres Holz darauf und eine Handvoll Kohlen. Am nächsten Morgen anbrennen und dabei bleiben, bis die Kohle angebrannt war. Das war viel Arbeit. Die Lagerführerin im Range einer Maidenoberführerin (MOF) hatte mehrere Hilfen. Sie waren Maidenführerin (MF) oder Maidenunterführerin (MUF), nach unten gingen die Ränge über Jungführerin (JF), Kameradschaftsälteste (KÄ) bis zur Arbeitsmaid (AM). Die kleinste Einheit war die Kameradschaft, meist die Bewohner eines Schlafsaals. Weil die Arbeitsdienstzeit meist nur ein halbes Jahr dauerte, war die KÄ aus dem vorigen Kurs übrig geblieben, meist auf freiwilliger Basis. In den letzten Kriegsjahren wurden die Arbeitsmaiden dienstverpflichtet. Sie mußten in kriegswichtigen Betrieben oder als Nachrichtenhelferin bei der Wehrmacht (wie meine Nachbarin, Frau P.) arbeiten: z.B. in Fabriken, die Zulieferer für Waffen aller Art waren oder ach - freiwillig - bei der FLAK helfen. Während die Soldaten die Fliegerabwehrkanonen betätigten, bedienten die Maiden die Scheinwerfer. Andere Maiden, wie z.B. meine Kusine Marianne, die ihre RAD-Zeit in Ostpreußen verbringen mußte, wurden freigestellt, weil sie im Geschäft ihres Vaters helfen mußten. Onkel Lutz Langenbach hatte einen Lebensmittelladen, er belieferte die kleinen Geschäfte in der Umgebung. Auch das war ein kriegswichtiger Betrieb. Es gab ja unendlich viel Arbeit mit dem Abrechnen der Lebensmittelmarken. Die wurden nach Aufruf umgetauscht z. B. „Abschnitt 1b für 100 g Zucker" oder „3a für 125 g Haferflocken" . Aber das ist ein Kapitel für sich.