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Kulturgeschichte - Klassik


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Inhaltsangabe

 

Friedrich von Schiller
Kabale und Liebe

 
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Secretär Wurm. Die Vorigen.
 
Frau
Ah guten Morgen, Herr Sekertare! Hat man auch einmal wieder das Vergnügen von Ihnen?
 
Wurm
Meinerseits, meinerseits, Frau Base! Wo eine Cavaliersgnade einspricht, kommt mein bürgerliches Vergnügen in gar keine Rechnung.
 
Frau
Was Sie nicht sagen, Herr Sekertare! Des Herrn Majors von Walter hohe Gnaden machen uns wohl je und je das Bläsier; doch verachten wir darum Niemand.
 
Miller
verdrießlich
Dem Herrn einen Sessel, Frau. Wollen's ablegen, Herr Landsmann?
 
Wurm
legt Hut und Stock weg, setzt sich
Nun! nun! und wie befindet sich denn meine Zukünftige - oder Gewesene? - Ich will doch nicht hoffen - kriegt man sie nicht zu sehen - Mamsell Luisen?
 
Frau
Danken der Nachfrage, Herr Sekertare. Aber meine Tochter ist doch gar nicht hochmüthig.
 
Miller
ärgerlich, stößt sie mit dem Ellenbogen
Weib!
 
Frau
Bedauern's nur, daß sie die Ehre nicht haben kann vom Herrn Sekertare. Sie ist eben in der Meß, meine Tochter.
 
Wurm
Das freut mich, freut mich. Ich werd' mal eine fromme, christliche Frau an ihr haben.
 
Frau
lächelt dumm-vornehm
Ja - aber, Herr Sekertare -
 
Miller
in sichtbarer Verlegenheit, kneipt sie in die Ohren
Weib!
 
Frau
Wenn Ihnen unser Haus sonst irgend wo dienen kann - mit allem Vergnügen, Herr Sekertare -
 
Wurm
macht falsche Augen
Sonst irgendwo! Schönen Dank! Schönen Dank! - Hem! hem! hem!
 
Frau
Aber - wie der Herr Sekertare selber die Einsicht werden haben -
 
Miller
voll Zorn seine Frau vor den Hintern stoßend
Weib!
 
Frau
Gut ist gut, und besser ist besser, und einem einzigen Kind mag man doch auch nicht vor seinem Glück sein. (Bäurisch-stolz.) Sie werden mich ja doch wohl merken, Herr Sekertare?
 
Wurm
rückt unruhig im Sessel, kratzt hinter den Ohren und zupft an Manschetten und Jabot
Merken? Nicht doch - O ja - Wie meinen Sie denn?
 
Frau
Nu - nu - ich dächte nur - ich meine,
hustet
weil eben halt der liebe Gott meine Tochter barrdu zur gnädigen Madam will haben -
 
Wurm
fährt vom Stuhl
Was sagen Sie da? Was?
 
Miller
Bleiben sitzen! Bleiben sitzen, Herr Secretarius! Das Weib ist eine alberne Gans. Wo soll eine gnädige Madam herkommen? Was für ein Esel streckt sein Langohr aus diesem Geschwätze?
 
Frau
Schmähl du, so lang du willst. Was ich weiß, weiß ich - und was der Herr Major gesagt hat, das hat er gesagt.
 
Miller
aufgebracht, springt nach der Geige
Willst du dein Maul halten? Willst du das Violoncell am Hirnkasten wissen? - Was kannst du wissen? Was kann er gesagt haben? - Kehren sich an das Geklatsch nicht, Herr Vetter - Marsch du, in deine Küche! - Werden mich doch nicht für des Dummkopfs leiblichen Schwager halten, daß ich oben aus woll' mit dem Mädel? Werden doch das nicht von mir denken, Herr Secretarius?
 
Wurm
Auch hab' ich es nicht um Sie verdient, Herr Musikmeister. Sie haben mich jederzeit den Mann von Wort sehen lassen und meine Ansprüche auf Ihre Tochter waren so gut als unterschrieben. Ich habe ein Amt, das seinen guten Haushälter nähren kann; der Präsident ist mir gewogen; an Empfehlungen kann's nicht fehlen, wenn ich mich höher poussieren will. Sie sehen, daß meine Absichten auf Mamsell Luisen ernsthaft sind, wenn Sie vielleicht von einem adeligen Windbeutel herumgeholt -
 
Frau
Herr Sekertare Wurm! Mehr Respect, wenn man bitten darf -
 
Miller
Halt du dein Maul, sag' ich - Lassen Sie es gut sein, Herr Vetter! Es bleibt beim Alten. Was ich Ihnen verwichenen Herbst zum Bescheid gab, bring' ich heut wieder. Ich zwinge meine Tochter nicht. Stehen Sie ihr an - wohl und gut, so mag sie zusehen, wie sie glücklich mit Ihnen wird. Schüttelt sie den Kopf - noch besser - - in Gottes Namen wollt' ich sagen - so stecken Sie den Korb ein und trinken eine Bouteille mit dem Vater - Das Mädel muß mit Ihnen leben - ich nicht. - Warum soll ich ihr einen Mann, den sie nicht schmecken kann, aus purem klarem Eigensinn an den Hals werfen? - Daß mich der böse Feind in meinen eisgrauen Tagen noch wie sein Wildpret herumhetzt - daß ich's in jedem Glas Wein zu saufen - in jeder Suppe zu fressen kriege: Du bist der Spitzbube, der sein Kind ruiniert hat.
 
Frau
Und kurz und gut - ich geb meinen Consenz absolut nicht; meine Tochter ist zu was Hohem gemünzt, und ich lauf' in die Gerichte, wenn mein Mann sich beschwatzen läßt.
 
Miller
Willst du Arm und Bein entzwei haben, Wettermaul?
 
Wurm
zu Millern
Ein väterlicher Rath vermag bei der Tochter viel, und hoffentlich werden Sie mich kennen, Herr Miller?
 
Miller
Daß dich alle Hagel! 's Mädel muß Sie kennen. Was ich alter Knasterbart an Ihnen abgucke, ist just kein Fressen fürs junge naschhafte Mädel. Ich will Ihnen aufs Haar hin sagen, ob Sie ein Mann fürs Orchester sind - aber eine Weiberseel' ist auch für einen Kapellmeister zu spitzig. - Und dann von der Brust weg, Herr Vetter - ich bin halt ein plumper gerader deutscher Kerl - für meinen Rath würden Sie sich zuletzt wenig bedanken. Ich rathe meiner Tochter zu Keinem - aber Sie mißrath ich meiner Tochter, Herr Secretarius! Lassen mich ausreden. Einem Liebhaber, der den Vater zu Hilfe ruft, trau' ich - erlauben Sie - keine hohle Haselnuß zu. Ist er was, so wird er sich schämen, seine Talente durch diesen altmodischen Kanal vor seine Liebste zu bringen - Hat er's Courage nicht, so ist er ein Hasenfuß, und für den sind keine Luisen gewachsen - - Da! hinter dem Rücken des Vaters muß er sein Gewerb an die Tochter bestellen. Machen muß er, daß das Mädel lieber Vater und Mutter zum Teufel wünscht, als ihn fahren läßt, - oder selber kommt, dem Vater zu Füßen sich wirft und sich um Gotteswillen den schwarzen gelben Tod oder den Herzeinigen ausbittet - Das nenn' ich einen Kerl! das heißt lieben! - und wer's bei dem Weibsvolk nicht so weit bringt, der soll - - auf seinem Gänsekiel reiten.
 
Wurm
greift nach Hut und Stock und zum Zimmer hinaus
Obligation, Herr Miller!
 
Miller
geht ihm langsam nach
Für was? für was? Haben Sie ja doch nichts genossen, Herr Secretarius!
Zurückkommend

Nichts hört er, und hin zieht er - - Ist mir's doch wie Gift und Operment, wenn ich den Federfuchser zu Gesichte krieg'. Ein confiscierter widriger Kerl, als hätt' ihn irgend ein Schleichhändler in die Welt meines Herrgotts hineingeschachert - Die kleinen tückischen Mausaugen - die Haare brandroth - das Kinn herausgequollen, gerade als wenn die Natur für purem Gift über das verhunzte Stück Arbeit meinen Schlingel da angefaßt und in irgend eine Ecke geworfen hätte - Nein! eh ich meine Tochter an so einen Schuft wegwerfe, lieber soll sie mir - Gott verzeih mir's -
 
Frau
spuckt aus, giftig
Der Hund! - aber man wird dir's Maul sauber halten!
 
Miller
Du aber auch mit deinem pestilenzialischen Junker - Hast mich vorhin auch so in Harnisch gebracht - Bist doch nie dummer, als wenn du um Gotteswillen gescheidt sein solltest. Was hat das Geträtsch von einer gnädigen Madam und deiner Tochter da vorstellen sollen? Das ist mir der Alte! Dem muß man so was an die Nase heften, wenn's morgen am Marktbrunnen ausgeschellt sein soll. Das ist just so ein Musje, wie sie in der Leute Häusern herumriechen, über Keller und Koch räsonnieren, und springt einem ein nasenweises Wort übers Maul - Bumbs! haben's Fürst und Mätreß und Präsident, und du hast das siedende Donnerwetter am Halse.

Schiller
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