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Kulturgeschichte - Klassik


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Don Carlos

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Kabale und Liebe

 

Gedichte

 

 


Friedrich von Schiller
Don Carlos, 2.10.

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Zweiter Akt, Zehnter Auftritt
 
Ein Zimmer im königlichen Palaste.
 
Herzog von Alba, Pater Domingo.
 
Domingo
Was wollten Sie mir sagen?
 
Alba
Eine wicht'ge
Entdeckung, die ich heut gemacht, worüber
Ich einen Aufschluß haben möchte.
 
Domingo    
Welche
Entdeckung? Wovon reden Sie?
 
Alba
Prinz Carlos
Und ich begegnen diesen Mittag uns
Im Vorgemach der Königin. Ich werde
Beleidigt. Wir erhitzen uns. Der Streit
Wird etwas laut. Wir greifen zu den Schwertern.
Die Königin auf das Getöse öffnet
Das Zimmer, wirft sich zwischen uns und sieht
Mit einem Blick despotischer Vertrautheit
Den Prinzen an. - Es war ein einz'ger Blick. -
Sein Arm erstarrt - er fliegt an meinen Hals -
Ich fühle einen heißen Kuß - er ist
Verschwunden.
 
Domingo
(nach einigem Stillschweigen).    
Das ist sehr verdächtig. - Herzog,
Sie mahnen mich an etwas. - - Aehnliche
Gedanken, ich gesteh' es, keimten längst
In meiner Brust. - Ich flohe diese Träume -
Noch hab' ich Niemand sie vertraut. Es gibt
Zweischneid'ge Klingen, ungewisse Freunde -
Ich fürchte diese. Schwer zu unterscheiden,
Noch schwerer zu ergründen sind die Menschen.
Entwischte Worte sind beleidigte
Vertraute - drum begrub ich mein Geheimniß,
Bis es die Zeit ans Licht hervorgewälzt.
Gewisse Dienste Königen zu leisten,
Ist mißlich, Herzog -- ein gewagter Wurf,
Der, fehlt er seine Beute, auf den Schützen
Zurücke prallt. - Ich wollte, was ich sage,
Auf eine Hostie beschwören - doch
Ein Augenzeugniß, ein erhaschtes Wort,
Ein Blatt Papier fällt schwerer in die Wage,
Als mein lebendigstes Gefühl. - Verwünscht,
Daß wir auf span'schem Boden stehn!
 
Alba
Warum
Auf diesem nicht?
 
Domingo        
An jedem andern Hofe
Kann sich die Leidenschaft vergessen. Hier
Wird sie gewarnt von ängstlichen Gesetzen.
Die span'schen Königinnen haben Müh,
Zu sündigen - ich glaub' es - doch zum Unglück
Nur da - gerade da nur, wo es uns
Am besten glückte, sie zu überraschen.
 
Alba
Hören Sie weiter - Carlos hatte heut'
Gehör beim König. Eine Stunde währte
Die Audienz. Er bat um die Verwaltung
Der Niederlande. Laut und heftig bat er;
Ich hört' es in dem Kabinet. Sein Auge
War roth geweint, als ich ihm an der Thüre
Begegnete. Den Mittag drauf erscheint er
Mit einer Miene des Triumphs. Er ist
Entzückt, daß mich der König vorgezogen.
Er dankt es ihm. Die Sachen stehen anders,
Sagt er, und besser. Heucheln konnt' er nie.
Wie soll ich diese Widersprüche reimen?
Der Prinz frohlockt, hintangesetzt zu sein,
Und mir ertheilt der König eine Gnade
Mit allen Zeichen seines Zorns! - Was muß
Ich glauben? Wahrlich, diese neue Würde
Sieht einer Landsverweisung ähnlicher
Als einer Gnade.
 
Domingo  
Dahin also wär' es
Gekommen? Dahin? Und ein Augenblick
Zertrümmerte, was wieder in Jahren bauten?
Und Sie so ruhig? so gelassen? - Kennen
Sie diesen Jüngling? Ahnen Sie, was uns
Erwartet, wenn er mächtig wird? - Der Prinz -
- Ich bin sein Feind nicht. Andre Sorgen nagen
An meiner Ruhe, Sorgen für den Thron,
Für Gott und seine Kirche. Der Infant
(Ich kenn' ihn - ich durchdringe seine Seele)
Hegt einen schrecklichen Entwurf - Toledo -
Den rasenden Entwurf, Regent zu sein
Und unsern heil'gen Glauben zu entbehren. -
Sein Herz entglüht für einen neue Tugend,
Die, stolz und sicher und sich selbst genug,
Von keinem Glauben betteln will. - Er denkt!
Sein Kopf entbrennt von einer seltsamen
Chimäre - er verehrt den Menschen - Herzog,
Ob er zu unserm König taugt?
 
Alba
Phantome!
Was sonst? Vielleicht auch jugendlicher Stolz,
Der eine Rolle spielen möchte. - Bleibt
Ihm eine andre Wahl? Das geht vorbei,
Trifft ihn einmal die Reihe, zu befehlen.
 
Domingo
Ich zweifle. Er ist stolz auf seine Freiheit,
Des Zwanges ungewohnt, womit man Zwang
Zu kaufen sich bequemen muß. - Taugt er
Auf unsern Thron? Der kühne Riesengeist
Wird unsrer Staatskunst Linien durchreißen.
Umsonst versucht' ich's, diesen trotz'gen Muth
In dieser Zeiten Wollust abzumatten;
Er überstand die Probe - Schrecklich ist
In diesem Körper dieser Geist - und Philipp
Wird sechzig Jahr' alt.
 
Alba
Ihre Blicke reichen
Sehr weit.
 
Domingo  
Er und die Königin sind Eins.
Schon schleicht, verborgen zwar, in Beider Brust
Das Gift der Neuerer; doch bald genug,
Gewinnt es Raum, wird es den Thron ergreifen.
Ich kenne diese Valois. - Fürchten wir
Die ganze Rache dieser stillen Feindin,
Wenn Philipp Schwächen sich erlaubt. Noch ist
Das Glück uns günstig. Kommen wir zuvor.
In eine Schlinge stürzen Beide. - Jetzt
Ein solcher Wink dem Könige gegeben,
Bewiesen oder nicht bewiesen - viel
Ist schon gewonnen, wenn er wankt. Wir selbst,
Wir zweifeln Beide nicht. Zu überzeugen
Fällt keine Ueberzeugten schwer. Es kann
Nicht fehlen, wir entdecken mehr, sind wir
Vorher gewiß, daß wir entdecken müssen.
 
Alba
Doch nun die wichtigste von allen Fragen:
Wer nimmt's auf sich, den König zu belehren?
 
Domingo
Noch Sie, noch ich. Erfahren Sie also,
Was lange schon, des großen Planes voll,
Mein stiller Fleiß dem Ziele zugetrieben.
Noch mangelt, unser Bündniß zu vollenden,
Die dritte, wichtigste Person. - Der König
Liebt die Prinzessin Eboli. Ich nähre
Die Leidenschaft, die meinen Wünschen wuchert.
Ich bin sein Abgesandter - unserm Plane
Erzieh' ich sie. - In dieser jungen Dame,
Gelingt mein Werk, soll eine Blutsverwandtin,
Soll eine Königin uns blühn. Sie selbst
Hat jetzt in dieses Zimmer mich berufen.
Ich hoffe Alles. - Jene Lilien
Von Valois zerknickt ein span'sches Mädchen
Vielleicht in einer Mitternacht.
 
Alba
Was hör' ich?
Ist's Wahrheit, was ich jetzt gehört? - Beim Himmel!
Das überrascht mich! Ja, der Streich vollendet!
Dominicaner, ich bewundre dich,
Jetzt haben wir gewonnen -
 
Domingo    
Still! Wer kommt?
Sie ist's - sie selbst.
 
Alba
Ich bin im nächsten Zimmer,
Wenn man -
 
Domingo     
Schon recht. Ich rufe Sie.
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