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Kulturgeschichte - Klassik


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Literatur

Wolfgang Amadeus Mozart
Mozart als freier Komponist 1777 - 1780
erstellt von Martin Schlu 2005, letzte Änderung 7. März. 2009

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1777
Mozart kündigt am 1. August das erste Mal bei bei Colloredo:
"Euer Hochf. Gnaden werden mit diese untertänigste Bitte nicht ungnädig nehmen, da Höchstdieselben schon vor drei Jahren, da ich um die Erlaubnis nach Wien zu reisen bat, sich gnädigst gegen mich erklärten, daß ich nichts zu hoffen hätte und besser tun würde, mein Glück andern Orts zu suchen.."
(zit. nach Böttger 81)
 
Mozart schlägt sich von nun an freiberuflich durch, verliebt sich in Aloysia Weber und reist mit seiner Mutter nach Mannheim. Dort hat er eine Cousine, das "Bäsle". Da er nicht weiß, ob Aloysia (bzw. ihre Mutter) ihn erhört, findet er auch seine Cousine ganz nett und macht darum öfter bei ihr in Mannheim Station. Im Laufe des Herbstes beginnt eine zarte und kurze Liebesbeziehung, die sich in den "Bäsle-Briefen" nachzeichnen läßt:

Mannheim, den 5.11.1777Allerliebstes bäsle häsle
(1)!
Ich habe dero mir so werthes schreiben richtig erhalten falten
(1), und daraus ersehen drehen( (1), daß der H : vetter retter(1) , die fr : baaß has (1) , und sie wie (1) , recht wohl auf sind hind(1) ; wir sind auch gott lob und danck recht gesund hund(1) . Ich habe heüte den brief schief (1), von meinem Papa haha (1), auch richtig in meine Klauen bekommen strommen (1). Ich hoffe sie werden auch meinen brief trief (1)), welchen ich ihnen aus Mannheim geschrieben, erhalten haben schaben (1). desto besser, besser desto (1)!

Nun aber etwas gescheüdes.
mir ist sehr leid, daß der H: Prælat Salat
( (1) schon wieder vom schlag getrofen worden ist fist (1).
doch hoffe ich, mit der hülfe Gottes spottes
(1), wird es von keinen folgen seyn schwein (1) . sie schreiben mir stier (1) , daß sie ihr verbrechen <Versprechen> (2), welches sie mir vor meiner Abreise von ogspurg <Augsburg> (2) voran haben, halten werden, und das bald kalt (1); nu, daß wird mich gewiß reüen. .........
.... haben sie den spuni cuni fait
(3) auch?... .. möchten sie nicht bald wieder zum H: Gold-schmied gehen?.. ... um den Spuni Cuni fait fragen halt, sonst nichts. sonst nichts?..."
Der Brief ist teilweise unübersetzbar, er enthält eine Menge Wortspiele und Albernheiten, zum Beispiel lautmalerische Wiederholungen(1), Wortverdrehungen(2) oder sexuelle Anspielungen(3). Zur Lektüre empfohlen sei die Ausgabe "Mozarts Bäsle-Briefe" bei dtv, in der z. B. erklärt wird, was mit "spuni cuni fait" gemeint sein könnte: „cunus" ist die lateinische Bezeichnung für das weibliche Geschlechtsorgan, „cuni fait" könnte eine Lesart des französischen „qu' on y fait" <was man tun darf/soll>
(Quelle: Hildesheimer-Briefe 34-37)
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1778 - Seitenanfang
Brief an das "Bäsle" vom 28. Februar :
Medemoiselle
ma tres chere cousine,
sie werden vielleicht glauben oder gar meynen, ich sey gestorben! - - ich sey Crepiert? -- oder verreckt! - doch nein! meynen sie es nicht, ich bitte sie; denn gemeint und geschissen ist zweyerley! - wie könnte ich denn so schön schreiben wenn ich todt wäre? - wie wäre das wohl möglich? ...
- ich habe so viell zu thun gehabt, daß ich wohl zeit hatte, an das bäsle zu denken, aber nicht zu schreiben, mithin hab ichs müssen lassen bleiben.
Nun aber habe ich die Ehre, sie zu fragen, wie sie sich befinden und sich tragen? ob sie noch offens leibs
(1) sind - ob sie etwa gar haben den grind? (2) - ob sie mich noch ein bischen können leiden? - ob sie öfters schreiben mit einer kreiden? - ob sie noch dann und wan an mich gedencken? - ob sie nicht bisweilen lust haben sich aufzuhencken? ...
... ob sie nicht gutwillig wollen fried machen, oder ich lass bei meiner Ehr einen krachen (3)! doch sie lachen - - victoria! - - unsre arsch sollen die friedenszeichen seyn! - - ich dachte wohl, daß sie mir nicht länger widerstehen könnten. ja ja, ich bin meiner sache gewis, und sollt ich heut noch machen einen schiss, obwohl ich in 14 Tägen geh nach Paris. wenn sie mir als wolln antworten aus der stadt Augsburg dorten, so schreiben sie mir baldt, damit ich den brief erhalt, sonst wenn ich etwa schon bin weck, bekomme ich statt einen brief einen dreck. dreck! - - dreck! - o dreck! o süsses wort! - dreck! - leck -o charmante! - dreck, leck! das freüet mich! - dreck, schmeck und leck! - schmeck dreck, und leck dreck! (4) --- Nun um auf etwas anderes zu kommen.......
(zit. nach Hildesheimer, Briefe 54)
(1) meint einerseits regelmäßige Verdauung, andererseits eine sexuelle Anspielung etwa: "haben Sie auch regelmäßig Verkehr?"
(2) gemeint ist die Krätze
(3) "einen krachen lassen", "reck den Arsch zum Mund" usw. findet sich oft in Mozart-Briefen. Sowohl Wolfgang als auch die Eltern fanden nichts dabei, diese und ähnliche Formulierungen oft zu verwenden - sie sind wahrscheinlich auch davon ausgegangen, daß diese Briefe sowieso nur von der Familie gelesen wurden.
(4) Dieses Baden in "dreckigen" Worten findet sich bei Mozart häufiger, ib. bei den Bäsle-Briefen, die eine Fülle von sexuellen Anspielungen enthalten und bis vor wenigen Jahrzehnten im Giftschrank der Musikwissenschaft lagen. Nach dem Verhalten vieler Stars in den 60er und 70er Jahren bis heute haben wir uns an egozentrisches Verhalten gewöhnt, so gesehen verhält sich Mozart nicht anders als ausgeflippte Pop-Stars.
Im März bricht Mozart - wie oben beschrieben - mit der Mutter nach Paris auf, um für sich ein neues Publikum zu erschließen.. In weiteren Briefen schreibt Mozart dem Vater, wie oft sie haben lange warten müssen, die Mutter schreibt von ungeheizten Zimmern, in denen sie Stunden warten mußte, während Wolfgang versuchte Vorspiel - und Konzerttermine zu bekommen. Insgesamt ist die Paris-Reise eine einzige große Pleite, das Geld wird verbraucht, die Gesundheit angegriffen und als die Mutter durch die unmöglichen hygienischen und gesundheitlichen Umstände ernstlich krank wird, wird auch kein Arzt hinzugezogen (der hätte sie vermutlich auch nur "zur Ader gelassen", also durch Blutentnahme weiter geschwächt. Drei Monate später stirbt sie alleine, während Mozart die "Pariser Sinfonie" (KV 297) aufführt. Als er in die Unterkunft kommt, ist sie bereits tot. Mozart schreibt einen Brief an den Vater, in dem er erst vom Tod Voltaires und einem Kaffeehausbesuch berichtet, danach schreibt er von der Krankheit der Mutter und deutet an, daß sie sterben könnte. Erst Stunden später schreibt er den folgenden Brief an Abbé Bullinger, einen engen Freund der Familie:
 
Allerbester freünd!
für sie ganz allein. 
Trauern sie mit mir mein freünd! - dies war der Traurigste Tag in meinem leben - dies schreibe ich um 2 uhr nachts - ich muß es ihnen doch sagen, meine mutter, Meine liebe Mutter ist nicht mehr! - gott hat sie zu sich berufen - er wollte die haben, das sehe ich klar - mithin habe ich mich in willen gottes gegeben.... ...sie starb ohne das sie etwas von sich wuste... hat 3 täge vorher gebeichtet, ist Comunicirt worden und hat die heilige öehlung bekommen -- die letzten 3 täge aber phantasirte sie beständig, und heüt aber um 5 uhr 21 minuten griff sie in Zügen, verlohr alsogleich darbey alle empfindung und alle sinne - ich druckte ihr die hand, redete sie an - sie sahe mich aber nicht, hörte mich nicht, und empfand nichts - so lag sie bis sie verschied, nemlich in 5 stunden um 10 uhr 21 minuten abends - es war niemand darbey, als ich, ein guter freünd von uns , den mein vater kennt....
(zit. nach Hildesheimer, Briefe 62)
 
Mozarts Ballettmusik „Les Petits Riens," wird an der Großen Oper aufgeführt.
 
 
1779 - Seitenanfang
Mittlerweile ist Aloysia Weber in München als Sängerin engagiert und weist Mozarts Heiratsantrag ab - vielleicht ist ihr das Dreiecksverhältnis zu Ohren gekommen. Es trifft sich gut, daß sie eine kleinere Schwester hat, Constanze, um die sich Mozart nun mehr kümmert, denn
der Erzbischof bietet ihm eine Stelle als Hoforganist und Hofkomponist an und er kehrt nach Salzburg zurück.
 
Am 17. Januar bekommt Mozart seinen Arbeitsvertrag als Salzburger Hoforganist mit einer Bezahlung von 448 Gulden (vorher 276), fast alle anderen Musiker bekommen eine Gehaltskürzung, weil Colloredo die Staatsfinanzen sanieren muß und - wie heute auch - erstmal an der Kultur spart. Mit der besser bezahlten Stelle verbunden sind natürlich kompositorische Aufgaben für Messe, Empfänge und Feste. Es entstehen in dieser Zeit die "Krönungsmesse" (KV 317) , die"Dom-Messe" (KV 337) und viele kleine Gelegenheitswerke für den kirchlichen Gebrauch. Im Rahmen der Salzburger Feste gibt es allerdings auch Gastspiele von Theatergruppen und so lernt Mozart in der Saison 79/80 Emanuel Schikaneder kennen, der mit seiner Truppe auf dem Domplatz gastiert.
 
1780 - zu Salieri
Im Sommer kommt eine Anfrage des Münchner Hofs, ob Mozart nicht eine seriöse Oper (opera seria) für den nächsten Karneval schreiben wolle. Mozart ist Feuer und Flamme und arbeitet sich in das Thema des Königs von Kreta "Idomeneo" ein. Er fährt Anfang November nach München um die Proben bis zur Aufführung zu leiten.
Ende November stirbt die Kaiserin Maria Theresia und Joseph II. wird Alleinherrscher. Aus dieser Zeit gibt es eine Empfehlung des Vaters Leopold zum Verständnis der kompositiorischen Arbeit, das heute noch aktuell ist:
 
"Ich empfehle die Bey deiner Arbeit nicht einzig und allein für das musikalische , sondern auch für das ohnmusikalische Publikum zu denken, -du weist es sind 100 ohnwissende gegen 10 wahre kenner, - vergiß also das so genannte popolare nicht, das auch die langen Ohren kitzelt..."
 Quellen: Gruber 79-87, Henneberg 67, Publig 180f
 
Im Winter sind die Arbeiten weit gediehen, es gibt regelmäßige Treffen mit der Intendanz (Graf Seeauge) und dem Ballettmeister und Mozart hat das erste mal alle Fäden in seiner Hand und wird als Künstler akzeptiert. Bei der Probenarbeit zu "Idomeneo" (KV 366) zeigt sich, daß die Sänger in München mittelmäßig sind, doch das Orchester wird mit den Partien recht gut fertig und bekommt entsprechend mehr zu tun, denn in die Handlung werden Ballettszenen eingebaut.. An seinem 25. Geburtstag, dem 27. Januar ist die Hauptprobe der Oper und die Vorschußlorbeeren sind so, daß auch aus Salzburg Freunde und Bekannte anreisen, um dabei zu sein. Die Premiere findet zwei Tage später am 29. Januar statt. Die Oper gefällt den Auftraggebern sehr gut, die Fachleute sind begeistert und Mozart könnte danach eigentlich in München bleiben. Doch der "Idomeneo" wird kein Publikumserfolg und die Träume vom freiberuflichen unabhängigen Komponisten werden erst einmal aufgeschoben.
 
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