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Verschiedenes - Editorial


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Editorial 18

Superjeile Zick
20. März 2003



Alaaf (für die einen) -
Helau (für die anderen),




Et iss, wie et iss! Karneval is angesagt und das heißt nicht nur für mich: rein in den Bus, rauf auf die Bühne, runter von der Bühne, rein in den Bus - das ganze einige zig Mal bis zum Fischessen an Aschermittwoch. Bis dahin kann man - wie jedes Jahr einige interessante Beobachtungen machen:

1. Der Kölner an sich "iss joot", er ist sich bewußt:: "so sinn mer all hierhin jekomme, mer spreche all de selve Sproch". Dem Kölner ist es egal, ob sein Nachbar ein Christ, Moslem oder Jude ist, ob weiß, schwarz, Braun, gelb oder Sozialist. Hauptsache, er ist kein Nichtkölner. Hauptsache, er ist Kölner und kommt nicht (in dieser Reihenfolge) aus Düsseldorf, Bonn, Berlin oder Bayern. Dann ist es mit der Toleranz vorbei, dann ist Ramadan mit dem Liberalismus und der latente Rassimus blitzt durch (Watt, do bess keine Kölsche?) Bei den Domstädtern, mit denen ich gegenwärtig unterwegs bin, gehören auch zwei Aushilfen zur ständigen Besetzung - Russen, die aber in Köln wohnen und deshalb als Kölner gelten, ein Dirigent ist Engländer (das geht ja noch),
aber der andere ist Düsseldorfer, was zwischen Gürzenich und Sartory-Saal immer für Heiterkeit sorgt. Als wir ihn gestern nacht um viertel nach zwei in Düsseldorf ablieferten, herrschte im Bus eine Stimmung wie in Feindesland („Hoffentlich erwischen die uns nicht“...) Doch da muß man durch. Karneval, da ist man Gutmensch und sogar liberal zu den Düsseldorfern.
Karneval ist wahrhaft tolerant.

2. Der Kölner Karneval an sich ist offen, jeder darf mitmachen und jeder kennt seinen Platz. Niemals ist unser Chef nervöser als beim Stammtisch der Karnevalisten im Oktober im Sartory-Saal. Da darf kein falsches Wort fallen,nicht bei Auftritten vor den Senatoren, der erlauchten créme de la créme, wo ca. hundert ältere Herren ein Milliardenvermögen repräsentieren. Wenn ich nicht schon einen guten Job hätte - da könnte ich ihn wahrscheinlich bekommen (ich müßte halt nach Köln ziehen). Da werden Deals gemacht und unter der Narrenkappe rotieren die grauen Zellen der Erlauchten und lassen die gedanklichen Verbindungen spielen. Feiern dürfen zwar alle, aber zu sagen haben eben nicht alle. 
Karneval ist wahrhaft staatstragend.

3. Der Kölner Karneval an sich ist bewahrend. Rituale verbinden und die Uniform macht uns alle irgendwie gleich. Natürlich können wir unser Set im Schlaf spielen, auch nachts um halb zwei (was gelegentlich vorkommt) und wenn man - wie geschehen - im Dürener Ländchen (es war bei Fettweis) um halb zwölf auf die Bühne muß, dreitausend besoffene Bauern auf dem Boden liegen, so daß man beim Einmarsch aufpassen muß, nicht über sie zu stolpern, die restlichen tausend nur noch „Ausziehen“ brüllen und die Saxophon-Mädchen anmachen („willze ficken, wa?“) ja, dann spielt man das Notprogramm und macht, daß man wieder in den Bus kommt. Oder, wenn wir und die Paveier in einem Saal zur gleichen Zeit auf die Bühne sollen... wir haben die Paveier spielen lassen, unser Chef hat das Geld abgeholt, weil wir den Vertrag ja erfüllt hatten...) und wir hatten eine halbe Stunde Pause. 
Karneval ist pragmatisch.

4. Karneval macht Spaß. Natürlich gibt es Highlights: mit 120 Leuten auf der Bühne im Gürzenich das Finale zu spielen, während die Bläck Föös zuschauen, bei der Schlußnummer "My Way" (Ming Kölle) zweitausend Feuerzeuge zu sehen, in den großen Hallen zwei Minuten zu brauchen, bis die Leute stehen und schreien ... das macht wirklich Spaß und für diese Highlights nimmt man auch die besoffenen Bauern in Kauf und das ständige Chaos, bis das Opening anfängt. Dummerweise kommt man an die Highlights natürlich nur, wenn man davor einige zig Mal Standard gehabt hat.
Karneval ist wie die Realität, nur ernster.

Alaaf und Helau!

Martin Schlu

PS. Eine Reportage über den durchschnittlichen Irrsinn eines gewöhnlichen Karnevalswochenendes gibt es später mal...